Fratze - Roman
leben.
Die Chirurgen sagten, man kann nicht einfach ein Stück Haut an einer Stelle wegschneiden und an einer anderen wieder anpfropfen. Man ist schließlich kein Baum. Die Blutzufuhr, die Venen und Kapillargefäße können nicht miteinander verbunden werden, um das Transplantat am Leben zu erhalten. Es würde einfach absterben und abfallen.
Es ist unheimlich, aber wenn ich jetzt jemanden erröten sehe, denke ich: Oh, wie süß. Wenn jemand errötet, erinnert mich das nur daran, dass direkt unter der Oberfläche von allem Blut fließt.
Eine Dermabrasion, erklärte mir ein Schönheitschirurg, das ist ungefähr dasselbe, wie wenn man eine reife Tomate auf einen Bandschleifer presst. Die Kollateralschäden verursachen die höchsten Kosten.
Um ein Stück Haut zu relozieren, um einen Kiefer umzubauen, muss man am Hals einen langen Hautstreifen ablösen. Der Schnitt beginnt am Halsansatz, aber oben trennt man die Haut nicht ab.
Stell dir einen Streifen Haut vor, der lose an deinem Hals herunterhängt, aber noch mit der unteren Gesichtshälfte verbunden ist. Die Haut ist noch an dir dran, wird also noch mit Blut versorgt. Dieser Hautstreifen lebt noch. Der Streifen wird längs aufgerollt wie ein Teppich. Und so lässt man ihn, bis er zu einem länglichen Fleischwulst verheilt ist, der an der unteren Gesichtshälfte baumelt. Lebendes Gewebe. Durchströmt von frischem, gesundem Blut, baumelt das Ding warm an deinem Hals. Das ist ein Stiellappen.
Allein bis das verheilt ist, können Monate vergehen.
Springt zurück zu dem roten Fiat, Brandy hinter ihrer Sonnenbrille und Manus im Kofferraum, und Brandy fährt uns auf den Gipfel von Rocky Butte, zu den Ruinen einer alten Festung, wo in dieser Nacht, wenn die Schulkinder aus Parkrose, Grant und Madison nicht am nächsten Tag Schule hätten, Scharen von Schülern mit Bierflaschen um sich schmeißen und unsicheren Sex praktizieren würden.
An Freitagabenden würde es auf diesem Berg von Kids wimmeln, die sagen: Hey, da drüben kann man mein Haus sehen. Das blaue Licht im Fenster, das sind meine Eltern vor dem Fernseher.
Die Ruinen, das sind ein paar Schichten Mauersteine, die noch nicht zerfallen sind. Innerhalb der Ruinen ist der Erdboden flach und felsig und mit Glasscherben und Grasbüscheln bedeckt. Rings umher, unterbrochen nur von dem Weg, der hier hinaufführt, erstreckt sich unter den steilen Hängen von Rocky Butte das aus einzelnen Pünktchen gebildete Gitternetz der Straßenlaternen.
Man könnte an der Stille ersticken.
Wir brauchen einen Ort, an dem wir bleiben können. Bis ich mir über die nächsten Schritte im Klaren bin. Bis wir irgendwo Geld besorgt haben. Uns bleiben zwei, vielleicht drei Tage, bis Evie nach Hause kommt und wir verschwunden sein müssen. Dann, denke ich mir, rufe ich Evie einfach an und erpresse sie.
Evie ist mir sehr viel schuldig.
Ich kann damit durchkommen.
Brandy steuert den Fiat mit Karacho in den finsters - ten Teil der Ruinen, macht die Scheinwerfer aus und tritt auf die Bremse. Brandy und ich, wir kommen so abrupt zum Stehen, dass nur die Gurte uns davon abhalten, ans Armaturenbrett zu knallen.
Metallisches Scheppern und Geklingel von Glockenspielen und Gongs hinter uns im Auto.
»Entschuldige«, sagt Brandy. »Der ganze Boden ist voll Zeugs, muss unters Bremspedal geraten sein, als ich versucht habe anzuhalten.«
Silberhelles Gebimmel dringt unter unseren Sitzen hervor. Serviettenringe und Teelöffel wogen an unsere Fersen.
Brandy hat Kerzenleuchter zwischen den Füßen. Eine silberne Servierplatte, funkelnd im Licht der Sterne, ist halb unter Brandys Sitz hervorgerutscht und blinkt zwischen ihren langen Beinen.
Brandy sieht mich an. Sie senkt das Kinn, schiebt sich die Ray-Bans auf die Nasenspitze und zieht ihre gemalten Augenbrauen hoch.
Ich zucke die Achseln. Ich steige aus, um meine Liebesfracht zu befreien.
Der Kofferraum ist auf, aber Manus rührt sich nicht. Er hat die Knie zu den Ellbogen hochgezogen, das Gesicht in den Händen, die Füße unter den Hintern geklemmt; er sieht aus wie ein Fötus im Tarnanzug. Das andere Zeug im Kofferraum hatte ich nicht bemerkt. Ich hatte viel Stress in dieser Nacht, also entschuldigt bitte, wenn ich das vor Evies Haus nicht mitbekommen habe, aber Manus liegt in einem Haufen glänzenden Tafelsilbers. Piratenschatz im Kofferraum seines Fiat. Und noch andere Sachen.
Relikte.
Eine lange weiße Kerze, da ist eine Kerze.
Brandy stemmt sich aus ihrem Sitz und kommt sich das
Weitere Kostenlose Bücher