Fratze - Roman
Und bricht plötzlich ab.
»Also«, sagt Brandy, »wo waren wir?«
Sie lässt ihren Kopf wieder zwischen meine Füße sinken.
»Hast du noch mal über eine Schönheitsoperation nachgedacht?«, sagt Brandy. Dann sagt sie: »Schlag mich.«
19
W enn du mit einem Trinker ausgehst, bemerkst du, dass er dein Glas nachfüllt, damit er sein eigenes austrinken kann. Solange du trinkst, ist Trinken in Ordnung. Da ist man in guter Gesellschaft. Trinken macht Spaß. Falls eine Flasche auf dem Tisch steht, wird ein Trinker, auch wenn dein Glas nicht leer ist, erst dir ein wenig einschenken, bevor er sich das eigene füllt.
Das sieht nur aus wie Großzügigkeit.
Diese Brandy Alexander, sie kommt mir dauernd mit Schönheitsoperationen. Warum ich mich nicht einfach mal über die Möglichkeiten informiere und so. Mit ihren silikongefüllten Brüsten, mit ihren fettabgesaugten Hüften, mit ihrer 115-40-65-Katty-Kathy-Wespentaille, mit ihrer Rundumerneuerung zur Oberschwuchtel, die sie ist, hat My Fair Lay, mein Pygmalion, mein von den Toten zurückgekehrter Bruder, der sie ist, hat Brandy Alexander sich sehr intensiv mit Schönheitsoperationen beschäftigt.
Und umgekehrt.
Badgespräche.
Brandy liegt immer noch auf dem kalten Kachelboden, hoch oben in Capitol Hill in Seattle. Mr. Parker ist gekommen und gegangen. Nur Brandy und ich, den ganzen Nachmittag. Ich sitze immer noch auf dem riesigen, in der Wand verankerten Keramikschneckenhaus. Versuche sie auf meine halbherzige Art umzubringen. Brandys kastanienbraune
Haare zwischen meinen Füßen. Die aquamarinblauen Flächen um den Schminktisch, alles übersät mit Lippenstiften und Demerol, Rouge und Percocet-5, Aubergine Dreams und Nembutal-Kapseln.
Meine Hand. Ich halte schon so lange eine Handvoll Valium, dass meine Handfläche Tiffany-hellblau geworden ist. Nur Brandy und ich den ganzen Nachmittag, während die Sonne in immer flacheren Winkeln durch die großen Messingbullaugen scheint.
»Meine Taille«, sagt Brandy. Der Plumbagomund wirkt ein wenig zu blau. Tiffany-hellblau, wenn ihr mich fragt. Überdosis-Babyblau. »Sofonda hat gesagt, ich brauche einen Taillenumfang von vierzig Zentimetern«, sagt Brandy. »Ich habe gesagt: ›Miss Sofonda, ich bin starkknochig gebaut. Ich bin über eins achtzig groß. Einen Taillenumfang von vierzig Zentimetern, das schaffe ich nie.‹«
Ich sitze auf dem Schneckenhaus und höre nur halb hin.
»Sofonda«, sagt Brandy, »Sofonda sagt, doch, das sei möglich, aber ich müsse ihr vertrauen. Wenn ich im Aufwachraum wieder zu mir käme, hätte ich einen Taillenumfang von vierzig Zentimetern.«
Nicht dass ich diese Geschichte nicht schon in einem Dutzend anderer Badezimmer gehört hätte. Neben mir entdecke ich noch eine Flasche, Bilax-Kapseln, und ich schlage im Handbuch der Arzneimittel nach.
Bilax-Kapseln. Ein Abführmittel.
Vielleicht sollte ich ein paar davon in diesen Nonstop-Mund zu meinen Füßen werfen.
1Springt zu Manus, der mich in diesem Infomercial sieht. Wir waren so schön. Ich mit Gesicht. Er nicht so mit konjugierten Östrogenen vollgestopft.
Ich dachte, wir hätten eine echte Liebesbeziehung. Dachte ich wirklich. Ich war sehr an Liebe interessiert, aber tatsächlich war es bloß eine lang anhaltende Sexaffäre, die jederzeit aufhören konnte, weil es im Grunde nur darum ging, einen Orgasmus zu kriegen. Manus schloss seine powerblauen Augen, schwenkte seinen Kopf hin und her und schluckte.
Und: Ja, sagte ich zu ihm. Ich sei zur selben Zeit gekommen wie er.
Kopfkissengespräche.
Praktisch die ganze Zeit sagt man sich, man liebt jemanden, wo man ihn in Wirklichkeit nur benutzt.
Es sieht nur aus wie Liebe.
Springt zu Brandy auf dem Badezimmerboden, sie sagt: »Sofonda und Vivienne und Kitty waren alle bei mir im Krankenhaus.« Ihre Hände krümmen sich von den Kacheln hoch und streichen an den Seiten ihrer Bluse auf und ab. »Alle drei hatten diese weiten grünen OP-Kittel an, Haarnetze über ihren Perücken und Herzogin-von-Windsor-Broschen an den Kitteln«, sagt Brandy. »Sie flatterten hinter dem Chirurgen und den Lichtern her, und Sofonda sagte, ich soll von hundert an rückwärts zählen. Verstehst du … 99 … 98 … 97 …«
Die Aubergine-Dreams-Augen fallen zu. Brandy atmet tief und gleichmäßig ein und aus und sagt: »Die Ärzte, die haben mir an beiden Seiten des Brustkorbs die unterste Rippe rausgenommen.« Ihre Hände reiben dort herum, und sie sagt: »Ich konnte mich zwei Monate lang
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