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Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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hätte er wenigstens zum Atmen gebraucht. Sie dagegen war für ihn gar nicht da. Ein Nichts! So ein grausames Scheusal! Er hätte ihr vielleicht mal einen Platz anbieten können, bevor sie mit einem Kollaps zu Boden ging. Auf einen Kaffee wagte sie schon gar nicht zu hoffen, ohne diesen Gedanken gleich mit Gift in Verbindung zu bringen.
    Der Ärger, den es um die Zusammenstellung der Besatzung für dieses Schiff gab, schien ihn gehörig mitzunehmen. Da kon nte sie – Nein, also wirklich! – von Seiner Hoheit nicht verlangen, dem Nichts zu seinen Füßen irgendwelche Beachtung zu schenken. Oh, du glücklicher, weitsichtiger Schubi, du musst geahnt haben, was dich auf diesem Schiff erwarten würde, und hast dir vermutlich nicht ohne Absicht das Bein gebrochen, spekulierte sie.
    W äre es nicht interessant zu erfahren, ob niemand unter dem Kommando dieses impulsiven Kapitäns fahren wollte – Susanne favorisierte natürlich sofort diese Möglichkeit – oder ob er selber zu hohe Anforderungen an Mannschaft und Offiziere stellte? Wie auch immer, der Kapitän machte einen ziemlich ratlosen Eindruck und das schien nicht oft vorzukommen, was ihn augenscheinlich noch mehr deprimierte. Sie verspürte mit einem Mal das absurde Bedürfnis, ihm über die Stirn zu streichen und die hässlichen Falten zu glätten, die so gar nicht in sein bemerkenswert schönes Gesicht passten. Nie zuvor war sie einem solchen Menschen begegnet. Rechthaberisch und unhöflich. Überheblich und … und überwältigend.
    Und überhaupt ging sie d as Seelenleben des Alten nicht das Geringste an! Und noch weniger interessierte es sie.
    Also nahm sie all ihren Mut zusammen, holte tief Luft und trat forsch einen demonstrativ großen Schritt auf den Schreibtisch zu. Ehe er recht begreifen konnte, was vor sich ging, hatte sie dem Kapitän mit vorgerecktem Kinn und kühnem Schwung ihren Heuerschein aus der Hand gerissen.

2 1. Kapitel
     
    Und dann machte sie auf der Stelle kehrt, um schleunigst das Weite und sich ein neues Schiff zu suchen.
    D och da hatte sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Mit der Geschwindigkeit einer angreifenden Schlange schnellte der Alte aus seinem Sessel und versperrte Susanne mit seinem alles überragenden Körper den Weg. Träge grinsend nahm er ihr den Heuerschein ab und stützte sich wie zufällig mit der linken Hand – und in dieser Hand, in für sie unerreichbarer Ferne, sah sie das Papier auf Nimmerwiedersehen verschwinden! – gegen den Türrahmen. Der Raum wirkte auf einmal viel kleiner als zuvor. Sogar sämtliche Luft schien er zu verdrängen.
    Oder weshalb fühlte sie sich mit einem Mal so eigenartig atemlos?
    Er trat etwas dichter an sie heran, bis sie gezwungen war, den Kopf in den Nacken zu legen, um ihm in die Augen zu schauen. Dieser Lackel schien gar kein Ende zu nehmen! Er war groß – und Susanne dankbar für die sechs Zentimeter hohen Absätze ihrer Schuhe, die sie auf Augenhöhe mit … seinem kräftigen, gebräunten Hals brachten. Jedenfalls beinahe.
    Dann war er halt groß. Und wenn schon! Sie war stinksauer und stinksauer konnte es immer noch mit groß aufnehmen. Sie wollte nicht zu einem Mann aufblicken müssen! Warum bloß ging es derart ungerecht auf dieser Welt zu? Und stets waren die Kleinen die Leidtragenden.
    Sie senkte den Blick . Was sie sofort bereute. Der Hals schnürte sich ihr zu, weil Bilder, die sie sich von Rechts wegen nicht erlauben durfte, das Paradies versprachen. Nie zuvor hatte sie so viel Männlichkeit auf einmal gesehen. Und diese Augen! Von Reserviertheit und Unnahbarkeit mit einem Mal keine Spur mehr, ganz im Gegenteil! Leidenschaft und Feuer loderten in dem tiefen Blau – stürmisch und aufgewühlt wie die See.
    „Nicht so schnell, Frau … Frau …“
    Mit einem herrlich unschuldigen Lächeln hob er die muskelbepackten Schultern und breitete seine leere Handfläche vor ihr aus. Und dann schenkte er ihr einen treuherzigen Blick, der eindringlicher als sämtliche Worte dieser Welt um Entschuldigung bat. Einladend streckte er ihr seine Rechte entgegen.
    „Ich habe … Ihren Namen … nicht richtig …“
    „Das hätte mich auch sehr gewundert. Vermutlich sind Sie eine von diesen schillernden Lichtgestalten, die neben sich niemanden wahrnehmen, selbst dann nicht, wenn hundert Mann in diesem Raum anwesend wären“, murmelte sie und bemerkte mit Genugtuung, wie der Alte stutzte.
    „Reichelt“, wiederholte sie schließlich in huldvolle m Ton, warf mit erhobenem Kopf eine

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