Frau an Bord (Das Kleeblatt)
habe ich während der letzten drei Tage kaum eine Stunde geschlafen.“ Er grinste schief, hob mit einer lässig eleganten Bewegung eine Schulter und gestand: „Wenn ich die paar Minuten außer Acht lasse, die ich im Tiefschlaf an meinem Schreibtisch zugebracht habe.“
E r hielt seine linke Hand in die Höhe, legte die Rechte auf sein Herz und beteuerte in pathetischem Tonfall: „Ich gelobe Besserung, Wireless . Bleiben Sie. Probehalber für eine Reise. Wir fahren nicht weit. Und danach sehen wir weiter.“
Sus anne stutzte und neigte den Kopf zur Seite. Das Entsetzen war ihr überdeutlich ins Gesicht geschrieben, als sie die sonnengebräunte Hand anstarrte, die noch immer auf seiner breiten Brust lag. Das konnte nicht wahr sein! Sie schluckte angestrengt und presste die Finger auf den Mund, um nicht lauthals loszubrüllen. Jetzt wusste sie endlich, was sie nie im Leben würde haben wollen! Ein protziger, goldener Ring steckte an einem der schlanken Finger des Kapitäns und zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Sie reckte den Hals, um die Gravur auf der Oberfläche besser erkennen zu können.
Künstlerhände, dachte sie. Stark und schlank und elegant. Wahrscheinlich waren sie sanft und konnten unglaubliche Dinge anstellen. Hände, die es gewohnt waren, Champagnerflaschen zu entkorken. Oder sich fingerfertig an den Knöpfen einer Frauenbluse zu schaffen machten.
Du meine Güte, soll das etwa ein Ehering sein? Auffälliger geht’s wohl nicht, protziger Windbeutel, du! Ich gäbe einiges dafür, dich wegen schlechten Geschmacks anzeigen zu dürfen.
Mindestens ebenso geschockt bemerkte sie, wie die tiefblauen Augen mit dem dunklen Ring um die Pupille auf sie gerichtet waren und sie gierig aufzusaugen versuchten. Hastig wendete sie den Kopf ab in der irrigen Hoffnung, sich damit retten zu können.
„Kommen Sie.“
Er nahm ihr die Reisetasche aus der Hand und ließ sie, wo er gerade stand, zu Boden fallen, dann schob er Susanne zu einer Sitzbank in der Ecke unter dem Fenster. Mit federnden Schritten durchquerte er die Kammer, griff zum Hörer des Bordtelefons und wählte die Nummer der Pantry.
„Eine Kanne Kaffee zu mir“, dröhnte der Kapitän in dem von ihm gewohnten Ton.
Aus den Augenwinkeln nahm er ein missbilligendes Kopfschütteln und undamenhaftes Prusten wahr. Oh selbstverständlich, er hatte schon verstanden. Diese Frau war nach seiner verbalen Entgleisung auf Konfrontation aus. Aber er brauchte sie! Dummerweise hatte er sie das in einem unbedachten Augenblick wissen lassen – und damit das Zepter aus der Hand gegeben.
Für einen kurzen Moment schloss er die Augen und wandte sich mit einem Stoßgebet an Gott, der bisher stets auf seiner Seite gestanden hatte. Er ballte die Faust. Sie wusste ganz genau, wie viel sie wert war! Und sie würde keine Gelegenheit auslassen, es ihm unter die Nase zu reiben. So ein gerissenes Weibsstück!
Andererseits war er überzeugt, dass sie noch das geringere Übel auf dieser Reise sein würde. Offenbar hatte sich selbst Gott von ihm abgewandt, seit Susanne Reichelt sein Schiff betreten hatte. Denn Harry Pohl hatte eine weitere handfeste Überraschung für ihn vorbereitet, mit der er sich auseinandersetzen musste.
Um nicht an zwei Fronten gleichzeitig kämpfen zu müssen, ließ er sich also zähneknirschend dazu herab, seinem Befehl ein kaum ernst gemeintes: „Bitte“ anzufügen. Das sollte wohl fürs Erste genügen, grollte er. Nachdem ihn heute schon der schleimige Flottenbereichsleiter in seine Schranken gewiesen hatte, musste er sich jetzt von einer Frau in gutem Benehmen unterrichten lassen. Von einer Frau! Er! Es war einfach lächerlich. Und entschieden zu viel der Niederlagen an einem einzigen Tag.
In dieser Sekunde schwor sich der Kapitän der „Heinrich“ , in Zukunft und vor allem in der Gegenwart der hübschen Funkerin auf der Hut zu sein.
Er schenkte ihr ein reumütiges Lächeln und bemerkte: „Ist es nicht beruhigend zu wissen, dass wenigstens ein Steward an Bord ist? Und der Springerbäcker hat mir zwei Stücken Kuchen zum Abschied hinterlassen.“
Er öffnete die Kühlschranktür und kramte zwischen unzähligen Dosen und Flaschen einen mit Frischhaltefolie abgedeckten Teller hervor. Wie ein kleines Kind strahlend hielt er ihn Susanne unter die Nase.
„Mögen Sie? Vertrauen Sie getrost dem Urteil eines Kenners, es sieht nicht nur verführerisch aus. Der Springer ist ein wahrhafter Meister seines Faches. Ein Jammer, dass er kürzlich geheiratet
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