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Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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könnte lediglich eine Frage der Zeit sein, bis ähnliche Zustände herrschen würden wie damals auf der „Friedrich“.
    Mit einem gra vierenden Unterschied: Dieses Mal könnte durchaus er selber der Auslöser dafür sein.
    Unwirsch schüttelte er den Kopf. Solch einen Ärger konnte er sich nicht leisten. Niemals und schon gar nicht an Bord seines Schiffes!
    Er würde sich nicht weiter mit Susanne Reichelt befassen und ausschließlich dienstlich mit ihr verkehren. Er würde ihr aus dem Weg gehen. Und dasselbe seinen Männern befehlen. Er würde die Todesstrafe über jeden verhängen, der sich nicht an seinen Befehl hielt. Jawohl! Erst würde er sie kielholen und dann über die Planke gehen lassen.
    Ungeachtet dessen , so philosophierte Matthias Clausing in einer typisch männlichen Schlussfolgerung, würde ein wenig Anschauen nicht schaden.
     
    Susanne verabschiedete sich auf dem Gang vom Kapitän, noch bevor sie den Schlüssel in das Schlüsselloch gesteckt hatte, um ihre Kammer zu öffnen. Aus einem unerfindlichen Grund hatte sie es plötzlich eilig, außer Reichweite dieses Mannes zu kommen.
    Befreit atmete sie auf, als sie das Schott hinter sich zuzog. Sie hatte das Gefühl, gerade einem gefährlichen Raubtier entkommen zu sein. Was dachte sich die Reederei eigentlich dabei, einen solchen Mann frei herumlaufen zu lassen? Er sollte besser versteckt hinter hohen Aktenbergen in der Faultierfarm sitzen, aber um Himmels willen nicht auf Frauen losgelassen werden!
    Die Aura von Macht, die den Kapitän umgab, hatte ihr förmlich den Atem geraubt. Nicht, dass ihr die Begegnung mit ihm unangenehm gewesen wäre. Das bestimmt nicht. Ganz im Gegenteil, er hatte sich zum Schluss in rührender Weise bemüht, charmant und unterhaltend zu sein, dennoch war sie froh, ein paar Minuten für sich allein zu haben. Die Gegenwart dieses Mannes hatte sie verwirrt, seine Nähe übte eine beängstigende Wirkung auf sie aus, anziehend und abstoßend zugleich.
    S ie atmete einige Male tief und hektisch durch. Ihr blieb nicht viel Zeit, um die ersten Eindrücke zu ordnen und sich auf das nächste Ereignis vorzubereiten. Der Kapitän hatte angekündigt, sie und die anderen Neuaufsteiger nach dem Abendessen der Stammbesatzung vorstellen zu wollen. Gott, schon beim Gedanken daran wurde ihr übel. Wie sie dieses Zur-Schau-gestellt-Werden hasste! Andererseits wären damit die neugierigen Fragen der Seeleute gleich am ersten Abend beantwortet und sie hätte für den Rest der Reise ihre Ruhe. Hoffte sie.
    Und dann ging ihr wieder Clausings Angebot durch den Kopf. Sie könnte jederzeit bei ihm auf der Brücke oder in seiner Kajüte vorbeikommen, wenn sie Fragen oder Probleme hätte oder sonst in irgendeiner Weise Unterstützung benötigte, gleich welcher Art diese sein sollte …
    Angestrengt kramte sie in ihrem Gedächtnis. Was hatte er eigentlich noch gesagt? Am Ende ihrer Unterhaltung war es beim besten Willen nicht mehr möglich gewesen , seinen wirren Gedankensprüngen zu folgen. Wahrscheinlich forderte der fehlende Schlaf seinen Tribut von dem Kapitän.
    Matthias Clausing …
    Matt’n, schoss es Susanne durch den Kopf. Die dunklen Wolken über ihrer Stirn verzogen sich, als sie sich an ihr Lieblingsbuch aus fernen Kindertagen erinnerte, „Lütt Matt’n und die weiße Muschel“. Wie oft hatte sie diese Geschichte gelesen? Zehn, zwanzig, dreißig Mal? Bereits nach dem ersten Lesen war sie felsenfest davon überzeugt gewesen, eines Tages selbst zur See fahren zu müssen. Später fand sie, die Seefahrt sei eine vernünftige Alternative zu ihrem Traum von einer Tanzkarriere, welcher von vornherein zum Scheitern verurteilt war, weil ihr zehn Zentimeter fehlende Körpergröße einen Strich durch die Rechnung gemacht hatten.
    Und so hoffte sie schon damals nichts sehnlicher, als der bedrückenden Enge ihres verschlafenen Bergdorfes zu entkommen und in der unendlichen Weite der Meere frei sein und aufatmen zu können. Keiner würde dort Anstoß nehmen an ihrer geringen Größe, denn im Vergleich zur Mächtigkeit der Ozeane waren alle Menschen klein.
    Dummerweise hatte n iemand sie und ihren Traum ernstgenommen, war sie doch zu diesem Zeitpunkt gerade zehn Jahre alt – ein Baby noch. Ihre Eltern, ihr Bruder Jasdan und der Großteil ihrer Freunde, alle wünschten sich nichts mehr als ein ganz normales Leben, einen ordentlichen Beruf, Ehe, Kinder und in einem gemütlichen Haus zu wohnen, an einem Ort, wo jeder jeden kannte und man jede Woche im

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