Frau an Bord (Das Kleeblatt)
Jasdan das Kunststück fertiggebracht, die verlorengegangenen Adressen ihrer Freunde zu besorgen, während sie selber ein Jahr lang …
Erneut seufzte sie. Bei den meisten Bekannten, Freunden und Verwandten hatte sie sich nach dem Schiffsunglück rar gemacht. Sie ertrug die Nähe anderer nicht mehr. Besuchen ging sie aus dem Weg, die früher für sie üblichen, stundenlangen Telefonate erstickte sie im Keim und selbst das Briefeschreiben hatte sie eingestellt.
Lustlos ließ sie das in teures Leder gebundene Büchlein sinken. Was Beate wohl gerade macht? Vielleicht schaukelt sie längst ein niedliches Baby mit pechschwarzem Haar und smaragdgrünen Augen auf dem Schoß und ich habe keinen blassen Schimmer davon. Beate hatte sie nach dem Untergang im Krankenhaus besucht und ihr danach noch einige Male geschrieben. Irgendwann allerdings hatte sie es aufgegeben, weil sie selber …
Mit einem heiseren Aufschrei fuhr sie von ihrem Bett hoch. Sie war so in ihre Gedanken vertieft gewesen, dass sie das eher gemäßigte Klopfen an ihre Tür wie ein Donnerschlag aus heiterem Himmel aufschreckte. Ihr Herz raste, als sie mit puddingweichen Knien die Kabine durchquerte.
Er ärgerte sich über sich selbst. Er sollte nicht hier sein. Gleichwohl rührte er sich keinen Millimeter vom Fleck, sondern starrte unverwandt die Tür an. Verdammt! Er war kein grüner Junge mehr und dass er sich in gerade diesem Moment wie einer benahm, war ihm überaus peinlich. Wann hatte er sich das letzte Mal unter dem Fenster eines Mädchens herumgedrückt in der Hoffnung, sie möge ihm einen Blick schenken?
Das letzte Mal hatte mit einer vernichtenden Niederlage geendet und beim bloßen Gedanken daran lief es ihm eiskalt den Rücken hinunter.
Er sah auf die unheimlich kitschige Vase in seinen feingliedrigen Händen. Einen billigeren Vorwand hätte er wirklich nicht finden können!
Das verlegene Lachen zauberte zwei verlockende Grübchen auf seine Wangen, als Susanne das Schott öffnete.
„Ich wollte mich erkundigen, ob Sie mit Ihrer Kammer zufrieden sind. B enötigen Sie noch irgendetwas, Frau Reichelt? Ich lasse es auf der Stelle besorgen.“ Er deutete mit vorgerecktem Kinn auf die Vase. „Die Blumen sind schon auf dem Weg, sie müssten jeden Moment eintreffen.“
Sus anne kniff die Augen zusammen und blinzelte angestrengt. Trotz größter Mühe bekam sie nicht das kleinste Lächeln zustande. Stattdessen nickte sie knapp und riss dem Kapitän die Vase aus den Händen. In der nächsten Sekunde hatte sie sich umgedreht und dem verdutzten Mann die Tür vor der Nase zugeschlagen.
Mit dem Rücken an das Schott gelehnt rutschte sie auf den Boden und brach entnervt in Tränen aus.
Und Matthias Clausing stand auf der anderen Seite der Tür und raufte sich bestürzt die Haare. Was war falsch an seiner Frage gewesen? Lag es etwa an ihm selber? An seiner Person? Denn sooo hässlich erschien ihm die Vase auch wieder nicht, dass er ihr die Schuld in die Schuhe hätte schieben können.
Welch unverzeihlicher Fehler war ihm also eben unterlaufen?
Ihm fiel keine einleuchtende Erklärung ein. Er hatte alle Meere bereist, hatte sämtliche Laster dieser Welt in den übelsten Hafenkneipen erlebt und war durch die harte Schule der Seemänner gegangen. Und er konnte allein deshalb zu dem erfolgreichen Schiffsführer werden, als der er hier stand, weil er so hart und gnadenlos geworden war wie die Gesellschaft, in der er lebte.
Aber scheinbar hatte er bis heute nicht gelernt, eine Frau zu verstehen .
2 4. Kapitel
17 Uhr. Unschlüssig drehte und wendete sie sich vor dem Spiegel und spürte, wie sich ihre Aufregung zu einer ausgewachsenen Hektik steigerte. Susanne schnaufte missmutig, als sie die roten Flecken auf ihren blassen Wangen bemerkte, und war versucht, noch einmal ins Bad abzudrehen.
„Kein Make-up“, hatte der Kapitän sie gebeten.
Wie anmaßend er doch war! Schon aus Prinzip sollte sie sich wie ein Indianer auf dem Kriegspfad bemalen. Aber hatte er diesen Wunsch nicht in einem liebenswerten Ton vorgebracht, so völlig anders als seine vorangegangenen Befehle? Und wollte sie sich wirklich aus einem derart nichtigen Grund mit ihm anlegen? Ein zweites Mal gleich am ersten Tag?
Wie wäre es, wenn du zur Abwechslung an etwa s anderes denkst? schimpfte sie. Sicher, Clausing war eine beeindruckende Erscheinung. Nicht bloß aufgrund seiner Größe schien er alles und jeden beherrschen zu können, fühlte sich vermutlich sogar wie ein junger
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