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Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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an diesem Nachmittag nicht mit Suse an Bord geblieben? Das Schiff lag in gerade diesem Moment wie ausgestorben auf Reede. Sie wären über Stunden ungestört gewesen. Stattdessen hörte er sie etwas von Kindheit, Kitsch und Erinnerungen erzählen, ausnahmslos Dinge, denen er nicht das Geringste abgewinnen konnte.
    „ Mmmh, was das wohl sein mag? Und dabei hätte ich bei dir Begeisterung für eine Sache geradezu ausgeschlossen. Weißt du, was ich glaube?“
    „Ja, ich bin ein Langweiler.“
    Es klang, als würde er das nicht zum ersten Mal hören. In seinen Augen lag eine Traurigkeit, die Suse körperlich wehtat, sodass sie ihn am liebsten in die Arme genommen und getröstet hätte, doch sie befürchtete, er würde ihr Mitleid auch dieses Mal energisch von sich weisen.
    „M itunter bin ich in der Tat geneigt zu glauben, dass du ein Problem damit hast, dich an den kleinen, belanglosen Dingen des Lebens zu erfreuen. Mal über die Stränge hauen, deine Pflichten vergessen, alles stehen- und liegenlassen und zwar einfach so aus Spaß. Hast du das jemals ausprobiert? Hast du überhaupt eine Ahnung, wie schön es sein kann, selbst Unwichtiges und Triviales zu genießen? Verbote zu übertreten?“
    Er wusste es nicht. Denn er schätzte nichts mehr als ein überschaubares, geordnetes Leben. Was war daran falsch? Als Kind hatte er wahrlich genügend Chaos ertragen müssen. Und das sollte ihm als Erwachsenen nicht noc h einmal passieren.
    D as allerdings konnte er Susanne nicht sagen, ohne dass er wieder neugierige Fragen nach seiner Vergangenheit provozierte.
    „Hilf mir , es zu lernen. Erzählst du mir von deiner Traumecke?“
    Nur zu gern folgte sie seiner Aufforderung. Je bereitwilliger sie ihm von sich erzählte, so hoffte sie zumindest, desto eher war er möglicherweise eines Tages geneigt, etwas von sich preiszugeben. Sie wusste nicht einmal seinen Geburtstag oder wo er wohnte. Lebten seine Eltern noch und hatte er Geschwister? Waren sie genau wie er oder gab es jemanden in seiner Familie, der unentwegt schnatterte und laute Musik liebte? Ob er noch wusste, wie sein erstes Kuscheltier hieß? Welches Auto stand in seiner Garage? Was waren seine Lieblingsfächer in der Schule gewesen und gab es etwas, das er noch mehr hasste als Tanzen? Und wollte er schon immer zur See fahren so wie sie?
    Sie wusste es nicht. Adrian hatte Recht, sie wusste gar nichts von ihm. Und sicher fragte er sich, was sie zu der kühnen Behauptung veranlasst haben mochte, ihn zu lieben. Woher sie den Mut genommen hatte, zu seinem Antrag „ja“ zu sagen. Hielt er sie für hoffnungslos naiv und leichtgläubig oder gar dumm?
    Sie mochte es eben, Menschen kennenzulernen und von anderen kennengelernt zu werden. Sich Stück für Stück vor jemandem zusammenzusetzen und ihr Leben zu entrollen wie eine Schatzkarte. Immer , wenn sie jemandem näherkam, entdeckte sie ebenfalls an sich selber neue Seiten und Eigenschaften, weil sie auf eine Frage antwortete, die ihr noch nie gestellt wurde, oder ihr eine vollkommen andere Antwort auf eine oft gestellte Frage einfiel. Sie liebte die Zeit, in der man vor den Augen des anderen Gestalt annahm. Besonders dann, wenn Schmetterlinge im Bauch die Hauptrolle spielten. Es war spannend wie ein Krimi herauszufinden, in wen man sich da eigentlich verliebt hatte, von seiner Familie zu hören, von seinen Freunden, von dem, was ihn glücklich oder unglücklich machte.
    Aber war es denn wirklich von Bedeutung zu wissen, was seine Lieblingsfarbe war , was er gerne aß und las oder welcher Religion er angehörte? Adrian war nicht so offen und unbeschwert, wie sie es sich gewünscht hätte und von ihren Verflossenen kannte – na und? Er hielt sich dermaßen unter Kontrolle, dass es geradezu unheimlich war – und wenn schon! Sie würde lernen, damit umzugehen. Sie kannte ihn, den Menschen, deshalb hatte sie ihn so schnell lieben gelernt. Und aus eben diesem Grund würde sie auch beim nächsten Mal „ja“ sagen. Wenn er sie bloß fragen würde.
     
    Nach Stunden hatten sie sämtliche Geschäfte von Lerwick durchstöbert, jede Gasse abgeschritten und die wenigen Attraktionen besichtigt. Jetzt schlich Suse mehr, als dass sie noch richtig laufen konnte, zu einem Blumenstand, wo sie für ihr letztes Geld – okay, es war Adrians Geld, das sie sich hatte borgen müssen, weil sie ihren Geldbeutel an Bord vergessen hatte – einen großen Strauß weißer Rosen kaufte. Sie bemerkte nicht die Verwandlung, die in diesem Moment in

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