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Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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Wind flüstern hören. Manchmal erzählt er nämlich Geschichten oder erteilt denen, die zuhören, weise Ratschläge. Es ist Magie, die auf den alten Inseln seit Jahrtausenden lebt. Nur haben wir leider verlernt, sie zu fühlen.“
    Suse drehte sich steif zu ihm um. Langsam beugte sie sich nach vorn und blickte Adrian von der Seite in die Augen. Er sah tatsächlich aus wie ein kleiner Junge, der sich unbedingt wünschte, dass sie seinen geheimen Ort mochte.
    „Was ’n mit dir los?“ Sie musterte ihn mit einer gehörigen Portion Besorgnis und widerstand lediglich mit Mühe der Versuchung, ihm die Hand an die Stirn zu legen. „Bist du sicher, dass alles in Ordnung mit dir ist?“
    „Es gefällt dir nicht?“
    „Doch. Doch schon. Ausgesprochen gut sogar. Und genau das ist es, was mich so verwirrt. Ich meine, was weißt du von Magie? Und seit wann kannst du den Wind reden hören? Nicht, dass ich glaube, der könnte das nicht, aber du … Was sagt er gerade?“
    „Dass wir so etwas Schönes lange nicht mehr zu Gesicht bekommen werden. Dass wir diesen und jeden folgenden Augenblick mit all unseren Sinnen genießen sollen. Festhalten in unserer Erinnerung. In unseren Herzen.“
    „ Was Schönes? Das da? Na, ich weiß ja nicht. Mir tut jeder einzelne Knochen weh“, jammerte sie weiter und streifte ihre Schuhe von den qualmenden Socken. Ächzend ließ sie sich zurücksinken und stöhnte zum Erbarmen. „Ich verstehe nicht, was du an dieser gottverlassenen, monotonen Wildnis findest. Absolut tote Hose hier.“
    „Es erinnert mich an …“
    Abrupt hielt er inne. Er war entsetzt darüber, dass er gerade drauf und dran war, ihr zu viel zu verraten. Dennoch drängte es ihn, ihr alles zu beichten. Sie hatte ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren. Die ganze Wahrheit über ihn und seine Vergangenheit. Er wollte ihr erzählen, dass auch er einmal jung und voller Hoffnung gewesen war. Sie sollte wissen, was er in seiner Kindheit gesammelt hatte, worüber er sich freute und ärgerte. Und weshalb er keine Ansichtskarten verschickte. Genauso wollte er ihr erklären, durch welch harte Schule er gegangen war, welch unbarmherzige Lektionen er lernen musste. Und dass er sie noch immer erfolgreich anwendete.
    A ndererseits hatten dieselben Lektionen seine Seele verkrüppelt, weswegen er Susanne nur vor sich warnen konnte.
    „Es erinnert dich … woran, Adrian?“
    Seine Augen wurden schmal, als könne er damit die Bilder hinter seiner gefurchten Stirn vor Suse verbergen. Es hatte keinen Sinn, ihr etwas vormachen zu wollen. All seine bisherigen Versuche in diese Richtung waren kläglich gescheitert. Und er kam sich wieder wie ein blutiger Anfänger vor.
    Wie sollte er ihr erklären, woher er kam und wie sehr ihn seine Herkunft geprägt hatte? Wer noch nie den Tanz eines Riesen gesehen oder die Kraft der uralten Bäume gespürt hatte, würde nicht verstehen können, wie sehr ihm dieses Land jenseits der See fehlte. Sollte er jemandem, der nicht seine Hand auf die in einen Ogham-Stein geritzten alten Schriftzeichen gelegt oder das Wispern der Elfen gehört hatte, davon erzählen, würde er ihn für einen unverbesserlichen Spinner halten. Und ihm bestenfalls aus dem Weg gehen. Es war besser, wenn er Susanne damit verschonte.
    Als sich ihre Blicke trafen, hätte sie am liebsten die Hände vors Gesicht geschlagen. Aber da hatte sie bereits die einsame Seele in seinen Augen gesehen, die nichts festhalten konnte. Furcht ergriff sie und maßloses Mitleid und ihr Herz schmerzte unsäglich.
    „ Es erinnert mich an nichts. Nichts von Bedeutung.“
    Rätselhafter Adrian! Wenn ihm der Anblick dieser Landschaft so nahe ging, dass er ins Schwärmen geriet, dann gab es etwas in ihm, von dem sie nichts wusste.
    Doch gab es das nicht in jedem Menschen? Etwas, von dem keiner wusste und das sich erst in einem Augenblick enthüllte, in dem sein Panzer bröckelte? In einem Augenblick großer Traurigkeit. Der Verzweiflung oder Sehnsucht.
    In einem Augenblick der Liebe.

34. Kapitel
     
    „Nichts von Bedeutung? Dass ich nicht lache! Für dich ist es sehr wohl von Bedeutung, ansonsten hättest du kaum so ein Theater darum gemacht, und hau mir jetzt bloß nicht die Taschen voll mit irgendwelchen Ausflüchten, so wie du es immer machst, wenn dir etwas nicht in den Kram passt, weil ich dir sowieso kein Wort glauben würde. Für wie dämlich hältst du mich eigentlich? Es erinnert dich an dein Zuhause“, mutmaßte sie und dieser Satz klang nicht wie eine

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