Frau an Bord (Das Kleeblatt)
wie er angenommen hatte, unerreichbar für ihn war. Und jetzt, da es vor ihm lag, hatte er keine Ahnung, was er damit anfangen sollte.
„Ich bin ein Niemand! Ein Nichts! Deswegen kann ich dich niemals heiraten. Nie im Leben eine Familie gründen und Kinder in die Welt setzen. Dich lieben, wie du es verdient hast.“
„ Das ist totaler Unsinn, Adrian! Du liebst mich …“
Plötzlich schien er nicht mehr Herr über sich zu sein, als er sie in einem Anfall von zügelloser Raserei von der Bank zerrte und so heftig schüttelte, dass er glaubte, ihre Zähne klappern zu hören. Kalter Schweiß perlte auf seiner Stirn, als er schließlich seine Hände erschreckt zurückriss.
Mühsam rang sie um Luft und kämpfte mit den Tränen. Mit wenigen Worten hatte er ihr die Antwort auf so viele Fragen gegeben. Mit einem Satz hatte er all seinen Schmerz offenbart. Blitzartig traf sie die Erkenntnis, dass er Angst hatte und sich verzweifelt gegen seine eigenen Gefühle zur Wehr setzte. Erschüttert berührte sie seine Wange, aber er zuckte zurück. Und jetzt stand er schutzlos und verunsichert vor ihr. Es drängte sie, mit ihm über seine Angst zu sprechen, seine Besorgnis, er könnte nicht gut genug für sie sein. Sie wusste, sie konnte ihm helfen, und befürchtete gleichzeitig, dass er sich nicht würde helfen lassen.
Und noch etwas anderes erkannte sie in diesem Moment. Sein manchmal enervierendes Schweigen lag nicht an seiner mangelnden Liebe zu ihr oder gar Böswilligkeit. Wahrscheinlich wusste er wirklich nicht, wie man Emotionen und Gedanken mit einem anderen Menschen teilte, weil er in seiner Jugend keine Gelegenheit erhalten hatte, es zu lernen. Er versuchte, seine Wildheit zu verbergen, aber auch der strengste Haarschnitt und die nüchternste Kleidung würden das nicht schaffen.
„ Hältst du so wenig von mir, dass du behauptest, ich würde mein Herz an jemanden verschenken, der ein Nichts ist? Warum beleidigst du mich dermaßen? Denn ich weiß, wer du bist.“ Sie legte ihre Hand an seine Brust, unter der sein Herz tobte. „Du bist der Mann, den ich liebe. Du bist der beste, liebenswerteste und großzügigste Mann, der mir je begegnet ist. Ich bewundere deine Ernsthaftigkeit und Ruhe, deine Hilfsbereitschaft und dein ehrenhaftes Verhalten. Deine Disziplin und Geduld und deinen Ordnungssinn.“
Ihre Worte trafen ihn mit der Macht einer Explosion. Vor Suses klarem Blick fühlte er sich wieder nackt und hilflos wie ein Baby. „Hör auf damit. Es reicht.“
„ Nein, das tut es nicht! Denn weißt du, ich habe noch lange nicht genug von dir. Es tut mir nur leid um den Jungen, der um sein Zuhause gebracht worden ist. Um seine Heimat und eine Familie. Lass mich dir zeigen, wie es ist, geliebt zu werden und ein Zuhause zu haben.“
Er verspürte einen merkwürdigen Stich, als er das hörte. Es tat weh. Ein bisschen. Und er verstand nicht, warum. Seine kleine Suse hatte ihn durchschaut, hatte hinter sein Alleinsein und in seine Einsamkeit geblickt. Sie hatte es – sie hatte ihn – auf eine Weise erkannt, wie er nie zuvor erkannt worden war. Nicht einmal von ihm selbst. Ihm war einfach nicht klar gewesen, wie einsam er war, bevor sie in sein Leben gestolpert kam und ihm die Augen geöffnet hatte für all die schönen Dinge, die er sich bis dahin versagt hatte. Und auf die er nicht mehr verzichten wollte.
Sc hamrot im Gesicht wollte er vor sich selbst und seinen Gefühlen flüchten, Suse dagegen stellte sich ihm entschlossen in den Weg und hielt ihn an den Handgelenken fest. „Bleib hier und höre mir zu.“
„Lass mich in Ruhe .“
„ Kommt ja überhaupt nicht in Frage! Ich lasse nicht zu, dass du vor mir davonrennst. Adrian, was du da eben erzählst hast, bedauere ich zutiefst. Doch es spielt für mich keine Rolle, als was du geboren wurdest. Mir ist egal, wann und wo du zur Welt gekommen bist. Wichtig ist einzig und allein, was du aus dir gemacht hast. Wer du heute bist.“
Sie dachte an die Freudlosigkeit, die sie viel zu oft bei ihm beobachtete, wenngleich er sich stets bemühte, seine Gefühle zu unterdrücken. Es wunderte sie nicht länger, dass er bisher nicht über sich und seine Vergangenheit gesprochen hatte. Es tat zu weh.
„Ein toller Koch ist aus mir geworden ! Applaus! Darauf kann ich in der Tat stolz sein!“, spie er angewidert aus. Er riss sich von Suse los und fauchte ungehalten: „Ich will dein Mitleid nicht.“
„Mitleid? Mann, hast du ’ n Sprung in der Schüssel? Du bist einfach
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