Frau an Bord (Das Kleeblatt)
wissen, wo ich herkomme? Nicht einmal mein Name ist echt.“
Sein Gesicht war bleich, aber ohne jede Gefühlsregung. Wieder einmal hatte er die Maske der Gleichgültigkeit über sich gestülpt, um den Menschen, der ihn liebte, auf Distanz zu halten.
„Und was ist mit deinem Herz? Und mit deinen Gefühlen für mich? Was ist damit? Sind die etwa ebenfalls nicht echt?“ Blitzschnell war sie auf die Füße gesprungen und drängte sich dicht an ihn. „Willst du behaupten, du würdest nicht das Geringste für mich empfinden? Dass ich dich völlig kalt lasse, wenn wir zusammen sind?“
S o war das also! Sie vertraute den Reaktionen seines Körpers mehr als seinen Worten. Als ob er sich darüber wundern sollte! Er hatte nie darüber gesprochen, seine Nerven dagegen vibrierten wie Saiten, wenn er Suse nur anschaute.
„Wer kann das schon mit Bestimmtheit sagen?“, antwortete er ausweichend und senkte den Blick , weil er fürchtete, dass seine Augen verrieten, was sein Mund verschwieg. Ihm war, als würde er sich bei dieser offensichtlichen Lüge das Messer in einer schlecht verheilten Wunde umdrehen. Dabei hatte er längst begriffen, dass sein Herz für immer dieser einzigartigen Frau gehörte. Es war das Einzige, was er mit Bestimmtheit wusste – und was er ihr nie sagen durfte. Dieser Gedanke bereitete ihm Übelkeit.
„Was für ein erbärmlicher Lügner du bist! Warum machst du aus allem ein Geheimnis?“
Er schob sie mit einem unsicheren Lachen ein Stück von sich. In diesem Moment traute er sich selbst nicht über den Weg. Schwer atmend schaute er auf ihr gerötetes Gesicht und ein leiser Fluch entfuhr ihm. Er liebte sie!
„Weil es nichts gibt, worauf ich stolz sein könnte.“
Suse schüttelte den Kopf und lächelte nachsichtig. „Adrian, als ich mich in dich verknallt habe, war es völlig bedeutungslos, woher du kommst und wer du bist. Ich habe nicht einmal deinen Namen gekannt. Also … ich meine nicht deinen richtigen, sondern den, welchen dir, was weiß ich wer, gegeben hat. Wieso sollte ich dich jetzt fallenlassen, da ich erfahre, dass du es selbst nicht weißt? Es gibt nichts, wofür du dich schämen müsstest.“
Er blieb regungslos stehen und lauschte mit allen Fasern seines Körpers. Er hörte nichts als Suses Liebe zu ihm, in jedem ihrer Worte, erkannte es in jeder Geste, in jedem Blick. Sonst gab es nichts, nicht den Wunsch, ihn an sich zu fesseln oder in einen Mann zu verwandeln, der bequemer zu lieben sein würde. Sie verlangte nichts von ihm.
Und gab ihm alles.
Er begriff ihr Vertrauen in ihn nicht.
Sie schien seine Gedanken lesen zu können, denn sie lehnte sich an seine Schulter und sagte noch einmal: „Ich liebe dich.“
Ich liebe dich. Ihre Worte schnitten in sein Fleisch, wie es kein Messer hätte tun können. „Du kannst keinen narbenübersäten, verkrüppelten Mann lieben.“
„ Woher willst du das wissen? Du wirst staunen, aber ich kann noch eine ganze Menge mehr.“ Sie strich ihm das Haar aus der Stirn und sah ihm in die Augen. „Du bist nichts von alledem. Ich habe mir den liebevollsten und bestaussehenden Mann ausgesucht. Und bilde mir tatsächlich etwas darauf ein.“ Sie blinzelte ihn kokett an.
Für sie waren Gefühle keine Feinde, sondern einfach das Beste am Leben, und er beneidete sie um ihre Ahnungslosigkeit. Und während er wusste, dass er es nicht ertragen könnte, wenn sie all die dunklen Ecken in seiner Seele fand, so wusste er doch, dass er sie wenigstens warnen musste.
„Du kannst die Narben nicht sehen, den angerichteten Schaden. Du liebst nicht mich, Susanne, sondern ein Trugbild.“
Sie lachte über seine düstere Warnung. „Glaubst du wirklich, ich könnte nicht erkennen, wen ich lieb e?“
„Das klingt alles so einfach aus deinem süßen, unschuldigen Mund, dabei hast du keine Ahnung, nicht den blassesten Schimmer einer Ahnung, wie die Wirklichkeit aussieht. Woher solltest du das auch wissen? Du, ein behütetes Kind aus gutem Hause und wohlgeordneten Verhältnissen. Aus einer Familie, in der man sich über kitschige Postkarten freut und wo Kindheitserinnerungen gehegt und gepflegt werden in irgendwelchen Zimmerecken voller Krimskrams.“
Seine boshaft hervorgebrachten Worte machten Suse sprachlos. Tränen traten ihr in die Augen und sie wandte sich ab. Adrian allerdings hatte bemerkt, wie betroffen sie war. Nicht Suse! Er durfte ihr keine Vorhaltungen machen. Sie meinte es ehrlich mit ihm und vertraute ihm. Vielleicht machte die Liebe sie
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