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Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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verstummten und mithören mussten. Friskos Aussprache war betont deutlich, was Suses heimlichen Verdacht erhärtete. „Alles so, wie Sie es sich vorgestellt haben? Man hat Sie nicht allzu oft in unserer Runde zu Gesicht bekommen.“
    Ehe sie zu einer Rechtfertigung ansetzen konnte, ließ er beide Hände auf den Tisch knallen und beugte sich so weit zu Suse, dass sie seinen Atem riechen konnte. Puh, und wie sie Recht hatte!
    „ Bilden Sie sich ja nicht ein, jetzt schon zu uns Seemännern zu gehören. Dazu braucht’s nämlich mehr, als sich einen Stecher zu angeln und jeden Abend ‘ne Sause zu veranstalten. Oder ’s Maul an unpassender Stelle aufzureißen. Eins kann ich versprechen, die Fahrt in den Osten war höchstens was zum Eingewöhnen für euch empfindliche, kleine Mädchen. Warten wir doch mal ab, ob Sie dann immer noch das letzte Wort haben.“
    Suse ahnte, womit sie den Unmut des Alten auf sich gezogen haben mochte. Nachdem sie sich heute allerdings schon mit dem Funker in die Wolle bekommen hatte, stand ihr der Sinn nicht auch noch nach einem Streitgespräch mit dem Kapitän. Sie war klug genug zu wissen, dass sie vor den anderen Offizieren und allein gegen Frisko den Kürzeren ziehen musste. Deswegen begnügte sie sich damit, artig zu nicken, schuldbewusst den Blick zu senken und, nachdem er endlich mit einem überlegenen Grinsen auf dem Gesicht von dannen gezogen war, mit dem Löffel lustlos in ihrer Schale Mousse au chocolat zu stochern.
    So ein Vollpfosten ! Alter Gockel! Mit seinen Worten spielte er zweifellos auf ihre hartnäckige Weigerung an, mit den Schiffsoffizieren im Hafen von Klaipėda auf Sauftour zu gehen. Sie befürchtete, dass ihn mindestens ebenso ihre zaghafte Beschwerde über die ihr aufgezwungene Untätigkeit im Funkschapp wurmte. Hatte sie doch in der Tat gewagt, den Funkoffizier, Busenfreund und Skatbruder des Kapitäns, zu kritisieren! Wo kämen wir denn da hin, wenn ein Stift dem Alten vorschrieb, was er gerne arbeiten würde, hatte Frisko auf der Brücke getobt. Wo ihr Respekt vor den Vorgesetzten bliebe und ob sie nicht wüsste, auf welcher Sprosse der Leiter sie stehen würde.
    Nein, diese Zurechtweisung hatte fürs Erste gereicht.
    Gleich drauf sah Suse am anderen Ende der Messe das leuchtend rote Gesicht der Stewardess auftauchen. Aber natürlich! Erst in diesem Moment ging ihr auf, dass der Angriff des Alten in gleicher Weise auf Simone abzielte. Mit den empfindlichen Eingeweiden kleiner Mädchen hatte er auf Simones sensiblen Magen angespielt, der die dumme Angewohnheit hatte, sich beim geringsten Anzeichen von Seegang zu Wort zu melden, und ihr ebenfalls auf dieser Reise übel mitgespielt hatte.
    Susanne hielt die Luft an, während sie instinktiv den Kopf einzog. Den Schilderungen von Botho zufolge war es erst ein einziges Mal passiert, dass die Stewardess die Beherrschung verloren hatte. Damals waren zunächst lediglich scharfe Worte zwischen Simone und dem Offizier für den Schiffsbetriebsdienst hin und her geflogen, bis schließlich einige Teller und zum krönenden Schluss ein Messer folgten. Zur wirkungsvollen Abschreckung und als Trophäe, quasi zum Zeichen ihres Triumphes, steckte das Tranchiermesser bis heute gut sichtbar in der Tür zur Pantry. Suse war überzeugt, dass Sissi nicht einmal vor einem Mord an dem Alten zurückschrecken würde, um ihre Ehre zu verteidigen.
    Und in gerade dieser Sekunde hatte es ganz den Anschein, als sei die Zeit reif für eine Entscheidungsschlacht. Wutentbrannt riss Sissi die Hände in die Höhe und baute sich mit blitzenden Augen, die ihm den Super-GAU prophezeiten, vor dem Alten auf.
    Suses Herz blieb stehen. Hatte Sissi allen Ernstes vor, mit Fäusten auf ihn loszugehen? War ihr nicht klar, dass sie damit ihr eigenes Todesurteil unterschrieb? Brauchte sie einen Grund zum Abzusteigen?
    Suse rutschte tiefer auf ihrem Stuhl zusammen und senkte den Blick. Bitte, tu ’s nicht. Halt einfach die Klappe, Sissi, betete sie und hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten. Zaghaft hob sie den Kopf, als der Tumult aus Richtung Pantry größer wurde. Wie der sprichwörtliche Retter in der Not kam Adrian aus der Kombüse geschossen, das Gesicht bleich, die Augen zusammengekniffen, und drängte sich rücksichtslos zwischen Sissi und den Kapitän.
    Er hat wirklich ein bemerkenswert breites Kreuz, stellte Suse einmal mehr fest, obwohl ihr der gegenwärtige Zeitpunkt für sinnliche Betrachtungen seines Körpers nicht unbedingt angebracht

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