Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
Vom Netzwerk:
beide eine Nacht lang im „Trocadero“ bis früh um sechs, ohne sich einen Deut darum zu scheren, dass Ronnys Arbeitszeit acht Uhr begann und die Nachtbar dummerweise am anderen Ende der Stadt lag, in der Taxis seltener als Ufos gesichtet wurden. Ein anderes Mal lud Suse mit ihrem unwiderstehlichen Charme und Ronny als Dolmetscher einen litauischen Zöllner ein, die überzählige Flasche „Surer Sluck“ mit ihnen gemeinsam zu leeren, statt außenbords zu werfen. Und wenn sie sich vorstellte, wie er sie nach einer heißen Party in die Barkasse auf dem Bootsdeck gezerrt hatte, um mit ihr eine laue Herbstnacht unter leuchtendem Sternenhimmel zu verbringen, wurde ihr klar, dass sie seine ausgefallenen Ideen nie mehr missen wollte. Ronny hatte ihr die Sterne vom Himmel geholt, indem er ihr Dutzende von Sternbildern gezeigt und passende Geschichten dazu erfunden hatte.
    Noch heute klopfte ihr Herz schneller, wenn sie daran dachte, dass nach dem Prinzip der maximalen Schweinerei ausgerechnet Adrian am frühen Morgen der Erste gewesen war, dem sie über den Weg gelaufen waren. Sie hatte sich, noch etwas dun und kopflastig von der Buddel Gin, über diese Situation halbtot gelacht. Da sie ihn gut genug kannte, wusste sie, dass er weder fragen, noch einen Kommentar dazu abgeben würde. Zumindest nicht sofort. Wahrscheinlich nie bei seiner Fähigkeit, emotionalen Regungen aus dem Weg zu gehen. Doch sie hatte eine ganze Palette von Gefühlen in seinen Augen erkannt – und mehr, als ihr lieb war, verstanden.
    Irgendwann stellte Susanne fest, dass Klaimi, Ventspils, Riga und wie die Hafenstädte alle hießen genauso nur Ostseestädte wie die anderen waren, die sie bereits kannte. Schuld an dieser plötzlichen Erkenntnis war die nicht nachvollziehbare Einteilung des Decksmannes zur Hafenwache. Suse hegte den leisen Verdacht, dass jemandem ihr freundschaftliches Verhältnis ein Dorn im Auge gewesen sein musste, sodass sich ähnlich wie bei ihr und dem Schiffskoch (den sie aus eben diesem Grund noch immer nicht im Fitnessraum hatte trainieren sehen) nun ebenfalls ihre und Ronnys Arbeitszeiten mit konstanter Boshaftigkeit überschnitten.
    Also blieb Suse nach dem dritten Festmachen im Hafen von Klaipėda während der gesamten Hafenliegezeit an Bord der „Fritz Stoltz“. Anstatt sich weiteren Ausflügen zu widmen, erbarmte sie sich des unvermeidlichen Schreibkrams, gegen den der alte Funkoffizier Hans Nienberg eine krankhafte Antipathie hegte.
    Da gab es Unmengen von Dienstanweisungen, Listen von Schiffs- und Küstenstationen, Handbücher und Inventarlisten, die offenbar seit Urzeiten nicht aktualisiert worden waren. Berichtigungen und Ergänzungsblätter stapelten sich in wüstem Durcheinander in Kartons und im Schreibtisch des Funkschapps, sodass sich Suse die bange Frage aufdrängte, wie dieses Schiff jemals hatte heil nach Hause finden können. Selbst aus seiner Kammer schleppte Hans Nienberg mit wachsender Begeisterung verstaubte Papiere, die er der Funkassistentin übertrieben pathetisch in die Hand drückte. Endlich war diese Frau zu etwas nütze! Wenngleich er gerade noch so viel Anstand besaß, diesen Satz nicht laut auszusprechen, hatte Suse zum ersten Mal das Gefühl, Hans Nienberg würde ihre Anwesenheit an Bord zwar nicht begrüßen, doch zumindest tolerieren.
    Abends erwachte sie zu neuem Leben, sobald sie sich mit den Teerjacken und Ölfüßen die freie Zeit entweder im Kino oder im Clubraum beim Kartenspiel vertrieb. Meist saß sie allerdings mit dem Wirtschaftspersonal und den anderen Bewohnern des Assi-Gangs auf einer der Kammern zum Klönsnack. Aufgrund der wechselnden Wachzeiten versammelten sich selten die gleichen Leute, was den unbestrittenen Vorteil hatte, dass keine Langeweile aufkam und Suse nach und nach die gesamte Mannschaft kennenlernte, bis sie sich eines Tages sogar deren Namen merkte.
    Aber nicht bloß unter Deck war sie Gesprächsthema. Nach Friskos Auftritt in der Messe häuften sich jetzt auch die Einladungen der Offiziere. Eine etwas weniger arglose Frau wäre schnell dahintergestiegen, dass diese sie über kurz oder lang in einen Gewissenskonflikt bringen mussten, wurde das Buhlen der Männer um ihre Gunst doch immer augenscheinlicher. Wer würde das Rennen machen, die Mannschaft oder die Offiziere?
    Einzig die Funkassistentin verstand den deutlichen Warnschuss des Alten vor ihren Bug nicht als solchen. Selbst die sanften Hinweise von Simone und Botho schlug sie als lächerlich und

Weitere Kostenlose Bücher