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Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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eigenen Jugendsünden erzählen. Dabei lag gerade mal eine Woche zwischen heute und ihrer letzten gemeinsamen Nacht. Nichtsdestotrotz kam es ihr wie eine halbe Ewigkeit vor. Und überhaupt, was sollte sie Mehli sagen, wenn er auf eine Fortsetzung ihrer Beziehung drängte? Oder wenn er zumindest dort weitermachen wollte, wo sie aufgehört hatten? Aber was, wenn er sie nach den Eindrücken ihrer ersten Fahrt fragte und sie versucht war, von Adrian zu reden, der seit ihrer ersten Begegnung die unberechenbaren Windungen ihres Hirns beherrschte?
    Nein! Nein, sie wollte vorerst einen weiten Bogen um das Studentenwohnheim und die Hochschule machen und warten, bis Gras über ihre gemeinsame Vergangenheit gewachsen war. Etwas Abstand würde ihr gut tun. Sie würde eine Woche ohne die angenehme Gesellschaft von Adrian und die kurzweiligen Unterhaltungen mit Sissi überleben und jeden Tag zeitig zu Bett gehen. Außerdem hatte sie sich vorgenommen, alle Aufgaben zur Zufriedenheit ihres Funkoffiziers zu erledigen und keine weiteren Männerbekanntschaften zu pflegen, vielleicht mal ein Bier trinken gehen mit dem blonden Decksmann, den sie während des Landgangs kennengelernt hatte und dessen Name ihr bereits wieder entfallen war.
    Und dann wollte sie die Ruhe nutzen, um für ihre Freundin Beate einen ausführlichen Bericht zu verfassen.
     
    Ebenso schnell wie die erste Reise und die anschließende Hafenliegezeit vergingen die nächsten beiden Reisen nach Klaipėda und Riga und wieder zurück in den Heimathafen der „Fritz Stoltz“. Abwechslung boten lediglich die nach jedem Hafentörn neu aufsteigenden Passagiere, mit denen man – glücklicherweise, wie die Mannschaft stöhnte – nicht allzu oft in Berührung kam.
    Suse lächelte leise vor sich hin, während sie in ihrem Tagebuch die ersten Seiten überflog. Wie ungeduldig und aufgeregt hatte sie dem ersten Landgang in Klaipėda entgegengefiebert, als am Horizont ein schmaler Landstreifen auftauchte, der von qualmenden Schornsteinen überragt wurde. Nördlich und südlich davon dehnten sich schier endlos die weißen kurländischen Strände und dunklen Wälder. Heute konnte sie sich nicht mehr erklären, was sie eigentlich erwartet hatte, als sie sich mit kindlichem Feuereifer auf den Bummel durch eine Stadt vorbereitete, in der Holzhütten inmitten von prächtigen Bürgerhäusern und öden Plattenbauten zu bewundern waren. Bestimmt weder Museumsbesuche noch ein Studium der deutschen Kasernenarchitektur oder gar die Aussicht, wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren. Wenn sie ehrlich war – und das war sie wirklich –, trug die Schuld an ihrer kaum zu bändigenden Vorfreude die Tatsache, diese Stunden in sympathischer, männlicher Begleitung verbringen zu können.
    Nein, nicht mit Adrian, der im Hafen zusätzlich für die Verköstigung der Schauerleute zu sorgen und deshalb noch weniger freie Zeit als auf See hatte. Doch da gab es neuerdings einen unauffälligen, jungen Mann an Bord, der Suses Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Obwohl sie ausdauernd darauf bestand, ihn zu ihren feuchtfröhlichen Tagungen einzuladen, ließ sich der Decksmann mit der Nickelbrille bloß selten in der Nähe des Assi-Gangs blicken. Dass Ronald Skujin als Nachkomme estnischer Aussiedler ein perfektes Russisch sprach, war jedoch nicht der einzige Grund für Suse, in ihm den idealen Fremdenführer für ihre Landausflüge zu sehen. Viel mehr reizte sie die Gegensätzlichkeit zwischen Adrian und Ronny.
    Während Ronny über die stromlinienförmige Eleganz eines Turners verfügte, besaß d er Koch den durchtrainierten Körper eines Athleten, der blitzschnell und stark sein musste. Und vor allem triefte er praktisch vor Testosteron. Ein Aussehen mit kleinen Schönheitsfehlern verliert dramatisch an Bedeutung, wenn ein Mann Sexappeal hat, und Sexappeal hatte Adrian bis zum Abwinken. Und was die Schönheitsfehler betraf … Nun, die hatte sie offensichtlich noch nicht entdeckt.
    Auch die Temperamente der Männer unterschieden sich voneinander wie Tag und Nacht. Adrian beispielsweise wählte jeden einzelnen seiner Schritte mit dermaßen viel Bedacht, dass Suse manchmal Angst hatte, er würde unterwegs den Weg vergessen. Genauso überlegte er sich dreimal jedes seiner ohnehin knapp bemessenen Worte und stets wägte er mit akribischer Sorgfalt ab, was er tun oder lieber lassen sollte.
    Mit Ronny dagegen konnte s ie völlig unkompliziert und spontan die verrücktesten Dinge tun. So tanzten sie

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