Frau an Bord (Das Kleeblatt)
Woche stand sie vormittags und nachmittags jeweils vier Stunden im Heiligtum des Hans Nienberg, respektvoll immer einen halben Schritt schräg hinter seiner Hoheit, und wartete auf seine knappen Anweisungen.
„Einen Kaffee, weiß und drei Stück Zucker.“
„Die Wetterberichte müssen auf die Brücke.“
„Das Telegramm ist für den Alten.“
„Schließen Sie das Fenster.“
Zwischen diesen Handreichungen für den Funkoffizier blickte sie ihm über die Schulter, verstand gar nichts und wagte nicht , sich zu rühren, geschweige denn etwas zu fragen. Sie fürchtete mittlerweile seinen verächtlichen Gesichtsausdruck, den verbissenen Zug um seinen schmalen Lippen, die eiskalten, grauen Augen, die sie stumm in ihre Schranken wiesen, wenn sie sich trotz allem einmal vergaß und ungefragt den Mund öffnete.
Und dabei kribbelte die Ungeduld wie ein Haufen Ameisen in ihren Fingern. Sie wollte endlich die Taste in die Hand nehmen, Sender und Empfänger einstellen, Telegramme absetzen, Wetterkarten ziehen, einmal bloß , ein einziges Mal eine Eintragung ins Funktagebuch vornehmen. Verlangte sie denn wirklich zu viel, wenn sie einer ganz normalen Beschäftigung nachgehen und arbeiten wollte wie all die anderen Besatzungsmitglieder auch?
E ndlich hatte sie sich zwei Seiten für ihr Tagebuch abgequält. Ihre Tasse war leer, obwohl sie den Kaffee mit reichlich Weinbrand gestreckt hatte. Also wirklich, Kaffee kochen konnte dieser Mann! Und dieses fantastische Essen erst noch! Damit hatte sich Adrian schon heute einen Ehrenplatz auf ihrer Tauglichkeitsskala gesichert.
Sie schüttelte schmunzelnd den Kopf. Einen Heldenorden indes hatte er für etwas ganz anderes verdient. Hatte sie zunächst befürchtet, seine freundliche Zurückhaltung im Umgang mit Menschen würde sich ebenfalls auf das Verhältnis mit ihr erstrecken, hatte sie sich ganz schnell eines Besseren belehren lassen. Ohne Frage war er sanft und liebevoll, aber er schien genau zu spüren, wenn sie etwas anderes von ihm brauchte – wilden Sex oder einfach nur von seinen Armen gehalten zu werden und mit der Gewissheit einzuschlafen, dass er ihre Träume behütete und für sie da war, ganz gleich was geschehen mochte.
Adrian. E igentlich hätte es beschämend sein müssen, wie allein sein Name ihren Puls beschleunigte und ihr den Mund wässrig machte. Sie hatte sich einige Male dabei erwischt, wie sie tagsüber mit offenen Augen vor sich hin träumte, weil sich ihre Gedanken immer wieder in seine Richtung auf und davon machten. Als gäbe es nichts anderes mehr.
Und wenn schon! Schnippisch zuckte sie mit der Schulter. Es war nun einmal so, dass er in diesen Tagen all ihr Denken beherrschte. Deswegen mahnte sie sich, höllisch darauf zu achten, wann es an der Zeit war, die Notbremse zu ziehen.
Kurz entschlossen machte sie sich auf den Weg ein Deck höher zur Kombüse, aus der es verführerisch duftete. Sissi mit ihrem unverwüstlichen Sinn für Humor würde sie sicher aufzuheitern wissen, selbst wenn ihre Sprüche einmal mehr auf Kosten von Adrian gehen würden, der mit seiner unübertroffenen Gemütsruhe alle Scherze kommentarlos über sich ergehen ließ.
Einen Tag darauf saß Suse an ihrer Stammback und verputzte das vorerst letzte Mittagessen auf See. Hätte sie am Morgen nicht das Telegramm der Reederei mit den Namen der Männer, deren Urlaub genehmigt worden war, und der Besatzungsmitglieder, die auf andere Schiffe umsteigen mussten, auf die Brücke getragen, Suse wäre bass erstaunt gewesen angesichts der plötzlichen Redseligkeit und Erwartungsfreude der Jungs. Die Luft summte regelrecht vor Geschäftigkeit. Suse dagegen hatte als eine von gerade mal einer Handvoll Besatzungsmitgliedern das Ende der Hafenzeit an Bord abzusitzen, sodass sie still schmunzelnd den Gesprächen lauschte.
B is der Alte den Raum betrat und ihr das Lachen verging.
Er schlenderte durch die Messe, den Blick starr auf sie gerichtet , seine Bewegungen derart genau bemessen, dass sie davon überzeugt war, dass er getrunken hatte. Sie machte sich gerade über ihre Nachspeise her, als er neben ihr stehen blieb und sich hörbar räusperte. Wohl oder übel musste sie also den Kopf in den Nacken legen, um in sein Gesicht sehen zu können. Mit einer herablassenden Geste klopfte er ihr auf die Schulter.
„ Na, welchen Eindruck hat unsere kleine Funkerin von ihrer ersten Seereise?“, erkundigte er sich laut und vernehmlich, sodass die Männer, ob sie es nun wollten oder nicht,
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