Frau an Bord (Das Kleeblatt)
begutachtete sie ihr Bügelgut. Nein, Abwarten ging genauso wenig. In drei, spätestens vier Monaten ließ sich ihr wachsender Bauch bestimmt nicht mehr ignorieren. Wozu brauchte sie dann noch diesen albernen Test? Und wenn sie sich ihre Klamotten betrachtete – es bestand nicht die leiseste Chance, einen solchen Zustand geheim zu halten. Es war absolut aussichtslos, auch nur ein einziges zusätzliches Kilogramm zu verbergen. Hosen und T-Shirts und sogar die meisten ihrer Pullover waren derart eng geschnitten, dass ein aufmerksamer Beobachter selbst die kleinste verräterische Rundung bemerken würde. Spätestens dann müsste sie sich dumme Fragen gefallen lassen.
Andererseits hätte sie wenigstens bis dahin Ruhe.
Vielleicht würde Simone mit einem ihrer Pullover aushelfen. Vielleicht nahm eine Schwangere ja erst irgendwann später zu. Irgendwann, nur nicht jetzt. Aber vielleicht war sie ja auch gar nicht schwanger. Sie wollte nicht schwanger sein, weil sie einfach kein Kind gebrauchen konnte. Vielleicht …
Sie hatte absolut keine Vorstellung davon, wie es weitergehen sollte , wenn es nun wider Erwarten doch so war. Dabei war sie schon ziemlich sicher, obwohl sie natürlich besser erst den Test abwarten sollte, bevor sie sich weitere Gedanken machte. Die allerdings ließen sich nicht auf Knopfdruck ausschalten, sondern rasten unbeirrt durch ihr Hirn wie Rennwagen.
Wie sie es auch drehte oder wendete, es war eine ziemlich verfahrene Sache. Himmelherrgott, ein Kind! Sie wollte zur See fahren und kein Kind an der Backe haben! Zumindest heute noch nicht! Was sollte sie damit anfangen? Sie hatte ein verdammt hartes Studium auf sich genommen, um zur See zu fahren. Und nun hatte sie gerade mal eine Handvoll popliger Reisen auf der Ostsee hinter sich und dann so was! Warum hatte sie dermaßen leichtsinnig sein und die Verhütung dem Zufall überlassen müssen? Wie alt war sie denn?
„Jaaa“, giftete sie niemand bestimmten an, „alt genug!“
Und mit wie vielen Männern hatte sie bisher geschlafen?
Mit genug. Mit mehr als genug sogar!
Ach, es wird schon nichts passieren , so wie ihr das Glück bisher immer hold gewesen war. Und ab ins Bett!
Na super! Dieser Glaube hatte sich als ein wahrhaft wirksames Verhütungsmittel herausgestellt. Das sollte sie unbedingt weiterempfehlen, weil es zweifellos der Renner auf dem Markt werden würde. Und von der Familienministerin bekäme sie unter Garantie einen Heldenorden an die ausgelaugte Brust geheftet, während sie eine Fußballmannschaft rotznäsiger Kinder hinter sich her zerrte.
In ihrem Studentenwohnheim hingen auf jeder Etage Automaten mit Kondomen, wozu also einen Vorrat anlegen? Hier dagegen, an Bord, lohnte solch eine Anschaffung angesichts des chronischen Mangels an Frauen nicht. Und wäre sie deswegen zum Second gegangen – Hilfe! – wie hätte das erst ausgesehen! Sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie er sich angeboten hätte, ihr die Funktionsweise zu erklären.
Wollen wir wetten, mit wem sie zuerst in die Kiste steig t?
Das wäre ein Rätselraten geworden! Sie hätte keinen Schritt mehr unbeobachtet an Bord machen können und unfreiwillig Gesprächsstoff für die nächsten Wochen geliefert.
Sehr witzig! zollte sie sich müden Beifall, du übertriffst dich wieder mal selber. Mit einer Schwangerschaft würde sie für noch viel ergiebigeren Gesprächsstoff sorgen.
Sie konnte nicht vermeiden, dass ungeachtet aller Sorgen ein sanftes Lächeln ihren Mund umspielte. Adrian Ossmann, der stets so umsichtige und verlässliche Adrian, hatte vor ihrer ersten gemeinsamen Nacht ohne lange Vorrede erklärt, bisher an Bord nie Kondome benötigt zu haben. Und dann wurde es richtig interessant, denn er entschuldigte sich tatsächlich dafür, aus eben diesem Grund auch bei dieser Reise nicht vorgesorgt zu haben.
Zunächst hatte sie geglaubt, er würde einen Scherz machen , doch er verzog keine Miene, als er sein Bedauern äußerte. Er meinte es wirklich ernst! Ob er jemanden danach fragen sollte? Simone möglicherweise? Oder einen der Assis von nebenan?
Suse konnte sich nicht erinnern, jemals derart verunsichert gewesen zu sein, was die Reaktion eines Mannes auf ihre Bitte betraf, die Nacht bei ihr zu bleiben. Hatte sie sich getäuscht und das Verlangen in seinen Augen bedeutete etwas ganz anderes? Wollte er sie nicht genauso wie sie ihn?
In dieser Sekunde war ihr mit erschreckender Deutlichkeit klar geworden, dass d ieser Kerl ihr Untergang sein würde. Über kurz
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