Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
Vom Netzwerk:
Rettungsweste unter den Rücken geschoben hatte. Eine Thermoskanne klemmte zwischen seinen angewinkelten Knien. Umständlich zündete sich der Junge eine Zigarette an. Dann warf er Ossi die Schachtel zu.
    „Sorry! Wo bleiben bloß meine guten Manieren? Hab mir wohl einen zu viel eingepützt. Greif zu! Ich habe auch noch Kaffee übrig. Der hilft dir garantiert auf die Füße.“
    „Mmmh. Ja , klar. Warum nicht?“ Nach kurzem Zögern bediente sich der Koch und erklärte verlegen: „Normalerweise zähle ich mich zu den Nichtrauchern.“ Dann lachte er unfroh. „Heute dagegen scheint mir nichts normal zu sein. Ein dermaßen mistiges Wetter habe ich noch nie erlebt, das kannst du mir glauben. Und ich fahre bereits einige Jahre.“
    „Der Second behauptet, schon Schlimmeres überlebt zu haben.“
    „Schlimmeres. Natürlich hat er damit Recht. Es gibt für alles eine Steigerung.“
    Die beiden Männer rauchten schweigend und sannen darüber nach, welche Erfahrungen dieser Art sie gemacht hatten. Nebenbei stellte Ossi einigermaßen verwundert fest, dass der Kaffee heiß und stark war. Und schmeckte.
    „Du warst draußen?“, wollte er nach dem zweiten Schluck Kaffee und einem tiefen Zug aus der Zigarette von dem Decksm ann wissen. „Was ist passiert? Sieht ziemlich übel aus.“ Er deutete auf die weißen Verbände an Berners Händen, die in der Dunkelheit der Messe beinahe heller leuchteten als die mickrige Nachtbeleuchtung auf dem Gang.
    „In den Bunkern ist Ladung übergegangen. Möglicherweise ist ein Schott gebrochen. Sehr wahrscheinlich sogar , wenn man bedenkt, wie groß die Schlagseite ist, die wir haben.“
    In der Stimme des Mannes schwang ein eigenartig gleich mütiger Ton mit, der Ossi angesichts der Tragweite dieser Worte stutzig machte. Übergegangene Ladung. Das hörte sich ziemlich bedenklich an, gleichwohl sprach der Decksi davon, als wäre es ohne Belang für die Sicherheit des Schiffes.
    „Was heißt das?“, hakte er argwöhnisch nach.
    „Ich habe keine Ahnung, ob du mitbekommen hast, dass dies meine erste Reise ist. Von Beruf bin ich Klempner. Super Mario. Obwohl ich schon früh gemerkt habe, dass ich absolut ungeeignet für diesen Job bin, habe ich mich eine Zeit lang bemüht, der brave Junge zu sein, der genau das tut, was seine Eltern von ihm erwarten – eines Tages die Firma des Großvaters übernehmen, das Familienunternehmen ausbauen und die Gewinne maximieren. Die Herrschaften taten meine Träume von der Seefahrt der Einfachheit halber als kindliche Spinnerei ab. Ich dagegen wollte nicht bloß vom Leben lesen und hören, sondern raus. Etwas erleben. Freiheit atmen und die weite Ferne erobern. Das war es, wovon ich träumte. Wofür ich gelebt habe. Und nun …“
    Berner winkte ab, sei n Lachen klang verbittert. „Haben sie dir beim Sicherheitslehrgang auch beigebracht, dass laut Seefrachtordnung die Erzkonzentrate in unserem Bauch zu den gefährlichen Ladungen zählen?“ Mit der bandagierten, rechten Hand deutete er vage in die Richtung, wo er das Achterdeck vermutete. „War mir bislang unbegreiflich. Was soll an Erz, Salz oder Getreide schon gefährlich sein? Jetzt ist das ohnehin völlig unwichtig. Fest steht, ein manuelles Umtrimmen der Ladung kommt nicht in Frage.“
    „Ach ja? Und warum nicht?“
    „Rechne dir aus, wie lange wir schaufeln müssten, wenn ein Mann pro Stunde zwei Tonnen vielleicht um vier oder fünf Meter versetzen könnte.“ Svend Berner kicherte albern. „Fünf Meter schafft unter diesen Bedingungen kein Aas. Und wir haben zehntausend Tonnen im Bauch.“
    „Ich bin bloß Koch und schwach im Kopfrechnen“, behauptete Ossi mit regelrecht zorniger Ungeduld und hatte dabei doch längst erfasst, dass fünfundzwanzig Mann vierzig Stunden lang mit dem Umschaufeln beschäftigt wären.
    „ Ich hab’s auch nur irgendwo gelesen, nämlich dass für einen Mann tausend Arbeitsstunden erforderlich wären.“
    Wir haben keine vierzig Stunden mehr! hätte er am liebsten geschrien und seine Faust gegen die Wand geschmettert. Sie würden es nicht einmal dann schaffen, wenn die gesamte Besatzung mit anpacken und ohne Unterbrechung arbeiten würde.
    „Was …“, krächzte Ossi heiser. Der Laut, der dabei seinem Mund entschlüpfte, hätte vermutlich einen Raben beschämt. Er räusperte sich – Wahrscheinlich wäre es einem Raben, der etwas auf sich hielt, sogar peinlich gewesen, solch ein Geräusch von sich zu geben. – und nahm erneut Anlauf: „Was weißt du

Weitere Kostenlose Bücher