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Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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dem Gang.
    Nein, das konnte bloß ein Irrtum sein! Er rieb sich über die Augen, als müsste er sich vergewissern, dass er nicht schlief. Das nicht enden wollende, blecherne Scheppern hinter dem Schott bestätigte allerdings seinen ersten Eindruck vom Zustand der Schiffsküche. Und dabei hätte er beschwören können, am Abend seinen Arbeitsplatz gegen den stärksten Sturm gesichert verlassen zu haben. Verdammt, er war doch vorbereitet gewesen! Er kannte die Wetterzeichen, aus denen die Nautiker auf das Heranziehen eines tropischen Wirbelsturms schließen konnten. Matthias Clausing, sein Freund, der irgendwo als Kapitän die Meere unsicher machte, war ihm auch in dieser Beziehung ein guter Lehrer gewesen. Aber wie hatte John Lennon einst so schön gesagt? „Leben ist das, was passiert, während du gerade andere Pläne machst.“ Wahrlich, ein kluger Mann.
    „Junge, he, mach die Klüsen auf! Jetzt ist wirklich nicht der richtige Zeitpunkt für ein gemütliches Nickerchen. Hast du nicht mitgekriegt, was hier los ist?“ Der donnernde Bass des Bootsmannes riss den Koch aus seinen Gedanken. „Hast du die Panzerblenden in der Kombüse vorgelegt?“
    Der Bootsmann kam aus der Messe den Gang entlang geschos sen, riss das Schott zur Küche auf, ohne lange auf eine Antwort zu warten. Seine Hand tastete suchend an der Wand nach dem Lichtschalter.
    Der Anblick d es vor ihm liegenden Kriegsschauplatzes ließ ihn genauso erstarren wie zuvor den Koch. In einem schauerlichen Gemetzel – ganz nach dem Motto „Jeder gegen jeden“ – hatten sich Eier in die Schlacht gegen Schlackwürste geworfen, Krautsalat gegen Pflaumenmus und Milch gegen Ölsardinen. Und über allem schwappte träge eine Krone aus Bierschaum. Auf Zehenspitzen tänzelte der Bootsmann über Töpfe und Tiegel, Backbleche und Pfannen, Besteck und zersprungenes Porzellan zu der Fensterfront auf der gegenüberliegenden Längsseite der Kombüse.
    „Komm schon, Kleiner! Auf die Beine und hilf mir!“, brüllte der Boatswain ungehalten.
     
    Eine Stunde später fühlte er sich wie sein Gulaschtopf: vollkommen leer und erschöpft. Mit einem leisen Seufzer ließ er sich auf eine Bank in der Monkey-Messe sinken. Er hatte die Scherben vom Boden der Kombüse aufgelesen und das Kochgeschirr und die Backformen in einem Schrank verschlossen. Nein, es hatte keinen Sinn, weitere Mühe ans Aufräumen zu verschwenden. Spätestens wenn sich das Schiff irgendwann aufrichtete, würde das Kücheninventar erneut wild durcheinander gewürfelt werden. Und von seiner Frühstückssuppe war ohnehin nichts mehr zu retten.
    Sollte sich der Kahn überhaupt jemals wieder aufrichten, würde er schon Zeit zum Aufklaren finden. Und irgendwo irgendetwas zu essen für die gefräßige Bande auftreiben. Etwas anderes als ein Stehbankett würde ohnehin keinen Sinn machen. Trotz nasser Tücher auf der Back, damit das Geschirr nicht verrutschen konnte, und aufgestellter Schlingerleisten war die Schlagseite schon viel zu groß für die herkömmliche Art des Essens.
    Außerdem war er müde. Verdammt müde sogar. Wie spät es wohl sein mochte? Er hatte keinen blassen Schimmer, wie lange er auf allen Vieren wie ein Hund auf der Suche nach etwas Essbarem über den Küchenfliesen gekrochen war und dabei das Geschirr eingesammelt hatte.
    Er schimpfte leise vor sich hin, während er den Dreck von seiner Hose zu kratzen versuchte. Es war ihm unerklärlich, wie sogar die stets fest verschlossenen Deckel der Metalldosen, in denen er Zucker und Mehl aufbewahrte, aufspringen konnten.
    Ach, vergiss es, Tatsache ist, sie haben es gekonnt und den Inhalt der Büchsen im Takt der Schiffsbewegung gleichmäßig über dem gesamten Boden der Kombüse verteilt.
    Als er sich zur Borduhr über dem Fenster der Essensausgabe umdrehte, fuhr er wie vom Donner gerührt auf.
    „Oh … oh Mann, ich habe dich gar nicht bemerkt.“ Hastig atmete er durch und schämte sich in Grund und Boden angesichts seiner Schreckhaftigkeit, während er gleichzeitig seine Achtlosigkeit verfluchte.
    „Tut mir l eid“, murmelte Svend Berner unbeeindruckt und gähnte, bis ihm der Kiefer knackte. „Ich wollte dir mit meiner Gegenwart nicht die Katze den Buckel raufjagen. Bin wohl eingepennt.“
    Erst jetzt erkannte Ossi, dass sich d er Decksmann in einer Ecke der Monkey-Messe häuslich eingerichtet hatte. Durch die Schlagseite des Schiffes lag er mehr auf der Wand, als dass er auf dem Boden saß, weswegen er sich für seine Bequemlichkeit die

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