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Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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bei diesen Einsätzen stets auf sich allein gestellt gewesen. Und er wusste sehr genau, wie weit er sich selbst und seinen Fähigkeiten vertrauen konnte. Er war ein Einzelkämpfer. Hier dagegen, an Bord der „Fritz Stoltz“, trugen andere die Verantwortung. Und er konnte nichts Besseres tun, als die Hände in den Schoß legen und zusehen, wie sie dieser Verantwortung gerecht zu werden versuchten.
    Suse! Er musste Suse und Sissi wecken! Wenn es wirklich so war, wie der …
    „Klempner. Ich bin bloß Klempner, das solltest du nicht vergessen. Was kann ich also schon Ahnung davon haben?“ Berner zuckte wieder mit den Schultern und schnalzte mit der Zunge.
    War es ein Zeichen von Gleichgültigkeit? Oder bereits Resignation? Ossis Hand mit der Kaffeetasse erstarrte mitten in der Bewegung auf dem Weg zu seinem Mund. Voller Unglauben beäugte er den Decksmann.
    „ Und verantwortlich für das bevorstehende Chaos sind letztendlich die da oben – obwohl uns das Wissen darum nicht retten wird.“
    Ossi konnte sich keinen Reim auf das wirre Gerede des Jungen machen, wurde jedoch sofort hellhörig, als Berner völlig zusammenhanglos fragte: „Wie kommen eigentlich unsere beiden Mädels mit dem Sturm klar?“
    Umständlich nahm Ossi seine Kaffeetasse in die andere Hand. Während er sie langsam zum Mund führte, murmelte er: „Was?“ Dabei blickte er Berner über den Tassenrand wachsam in die glühenden Augen. „Was meinst du damit?“
    „Irre ich oder wohnen sie neben dir?“
    „Offenbar irrst du nie. Bist bereits als Klugschnacker zur Welt gekommen, wie?“
    „Und sie ist dein Mädchen, nicht wahr?“
    „Wie kommst du darauf?“
    „Himmelherrgott, was soll das? Spielen wir Ringelpiez mit Anfassen? Oder weichst du direkten Fragen immer aus? Ich meine Susanne, die kleine …“
    „Es ist Ladung verrutscht!“, dröhnte der Bass des Kapitäns aus dem Lautsprecher über dem Schott der Monkey-Messe. „Alle Hände werden gebraucht!“
    Ossi fuhr von seinem Platz auf. Seine noch halb gefüllte Kaffeetasse flog in hohem Bogen durch die Luft. Er bemerkte nicht einmal, wie ihm die heiße Flüssigkeit auf den Handrücken spritzte. Während er sich an der schrägen Wand entlang tastete und über seine eigenen Füße hinaus auf den Gang stolperte, hörte er Berner s wieherndes Grölen und seine Stimme, die vor Verachtung troff, als er seinen Kommentar herausschrie: „Good morning, Kaptein! Wem erzählst du das eigentlich? Die Ladung ist vor mehr als zwei Stunden übergegangen. Und niemand soll das bisher bemerkt haben? Dösbaddel, es schlafen nicht alle so wie du!“
    Svend schob sich langsam vom Boden in die Höhe und suchte in der Innentasche seiner Wattejacke nach dem Flachmann. „Du brauchst alle Hände? Meine sind aber beschäftigt, was sagste dazu? Und wie, das würdest du im Leben nicht glauben!“
    Mit Akribie und glänzenden Augen fingerte er am Verschluss des silberfarbenen Gefäßes und goss den Inhalt in seine Tasse. Er roch daran und verzog angewidert das Gesicht. Kalter Kaffee! Die kleine Susanne wäre entsetzt, könnte sie das sehen. Sie müsste ihn für einen schrecklichen Barbaren halten. Er fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen.
    Ja, Susanne Reichelt, die süße Funkerin mit dem Haar eines Rauschgoldengels, der kecken Stupsnase und dem frechen Mundwerk, konnte wahrhaft köstlichen Kaffee kochen. Verdammt, sie konnte kochen und genießen! Allein das war ausreichend Grund für ihn – Idiot, der er war –, sich in dieses wunderschöne Wesen zu verknallen.
    Er erinnerte sich an jede einzelne Sekunde ihrer ersten Begegnung. Mit dem Taxi hatte er sich vom Bahnhof zum Überseehafen fahren lassen. Das erste, was er beim Aussteigen gesehen hatte, war eine zierliche, in Tränen aufgelöste Frau, die an der Gangway der „Fritz Stoltz“ gestanden und ihn keines Blickes gewürdigt hatte. Vermutlich hatte sie ihn nicht einmal wahrgenommen, schließlich war er der Neue, die Landratte, ein Amateur und blutiger Anfänger und somit keiner Beachtung wert. Doch dann hatte ein Krankenwagen an der Getreide-Pier des Seehafens gehalten und wenig später war ein junger Kerl auf einer Trage aus dem Inneren des Schiffes gehoben worden. Susanne hatte sich über den leichenblassen Mann mit dem dicken Kopfverband gebeugt, eine Hand an seiner Wange, die sie liebevoll streichelte. Sie hatte ihm etwas ins Ohr geraunt und ihn zum Abschied auf die geschwollene Wange geküsst. Noch bevor er ihre Tränen bemerken konnte, war sie

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