Frau an Bord (Das Kleeblatt)
Brücke!“
„Ganz wie du willst, verdammter Besserwisser.“
Frisko richtete sich jäh zu voller Größe auf – und reichte dem Second doch nur bis zur Schulter. Linke und er kannten sich seit ihrer Lehre zum Vollmatrosen und seit haargenau dieser Zeit waren sie mit schöner Regelmäßigkeit aneinandergeraten. Obschon gleichaltrig war Frisko beruflich sehr viel erfolgreicher als Linke. Während er seit einer halben Ewigkeit als Kapitän zur See fuhr, hatte Linke in dieser Beziehung nicht allzu viel Ehrgeiz entwickelt. Der attraktive und bei Frauen erfolgreiche Second betrachtete es dagegen als amüsanten Freizeitsport, Frisko bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Frauen auszuspannen. Das war ihm mehr als einmal gelungen, wie er sich gerne brüstete, und bisheriger trauriger Höhepunkt im Wettstreit der beiden Nautiker war zweifellos die Trennung Friskos von seiner Gattin nach fast zwanzig Ehejahren.
Heute allerdings fuhren sie gemeinsam durch diesen Sturm. Die Ladung des Schiffes, auf dem sie standen, war übergegangen, und das Leben von vierunddreißig Mann Besatzung hing an den Entscheidungen, die sie miteinander treffen mussten.
Die Schlagseite der „Fritz Stoltz“ betrug mittlerweile zwanzig Grad Steuerbord, um die das Schiff gleichmäßig in der Dünung rollte, als der Bootsmann das angespannte Schweigen auf der Kommandobrücke durchbrach und ungeduldig auf eine Entscheidung des Kapitäns wartete. Der ließ sich weder aus der Ruhe bringen, noch zu weiteren Befehlen drängen, sondern schickte ihn los, ein weiteres Mal die Panzerblenden in den Aufbauten zu kontrollieren. Zunächst einmal den Verschlusszustand des Schiffes herstellen, womit Zeit gewonnen war. Wertvolle Zeit, um unbeschadet aus der Schlechtwetterfront herauszukommen. Sie mussten es einfach schaffen!
Erst eine halbe Stunde später ließ der Kapitän seinen wachfreien Ersten wecken und auf die Kommandobrücke beordern. Zur gleichen Zeit meldete sich von achtern der Storekeeper Jochen Koch über die inzwischen wieder funktionierende Wechselsprechanlage mit der nächsten Hiobsbotschaft: In den hinteren Laderäumen war gleichfalls Ladung übergegangen! Hunderte von Tonnen Roheisen wurden durch die starke Krängung gegen das Schott gedrückt, bis es unter dem Gewicht nachgab und schließlich brach. Ungehindert schoben sich die Roheisenmasseln weiter nach Steuerbord.
Und brachten das Schiff immer mehr aus dem Gleichgewicht.
Adrian Ossmann schreckte auf. Instinktiv schoss seine Hand unter das Kopfkissen, während sein Atem mehrere Herzschläge lang stockte, und tastete sich voran, ohne zu finden, was sie suchte. Ruckartig stieß er die angehaltene Luft aus und fuhr sich über die Stirn, wobei er leise fluchte. Für einen Moment hatte er vergessen, wo er sich befand. Das war ihm nie zuvor passiert! Herrgott nochmal, so etwas durfte ihm nicht passieren!
Er zog den Kopf zwischen die Schultern, als er sich aufsetzte, und lauschte angestrengt in die Dunkelheit der Nacht. Er glaubte noch immer , das klirrende Geräusch von berstendem Glas und metallisches Klappern zu hören, was ihn unsanft aus seinem kurzen Schlaf geweckt hatte. Verwirrt blickte er sich in der Kammer um. Irgendetwas war anders! Dieses untrügliche Gefühl für Gefahr hatte im Laufe der Jahre seine Sinne geschärft. Sie hatten es ihm beigebracht. Sie hatten es in ihn hinein geprügelt, bis es ein Teil von ihm geworden war. Bis er es nicht mehr abstellen konnte, stets wachsam und vorsichtig zu sein, selbst wenn er gewollt hätte.
Am späten Abend war er in Suses Kammer gewesen, rief er sich in Erinnerung, aber sie hatte bereits geschlafen. Angesichts des mit unverminderter Stärke im Atlantik tobenden Sturms hatte er sich in seine eigene Koje verholt, ohne seine Hose abzulegen. Um sicher zu gehen, dass mit Suse alles in Ordnung war, wollte er später noch einmal nach ihr sehen. Den außergewöhnlich lebhaften Schilderungen des Funkoffiziers zufolge war sie völlig erschöpft von den Anstrengungen gewesen, die der Sturm für einen Neuling wie Suse mit sich gebracht hatte.
D ann jedoch war er selber eingeschlafen.
Behände schwang er sich aus der Koje und fiel rückwärts. Sein Hinterkopf knallte an das Seitenteil der oberen Bettstatt. Noch halb benommen dachte er nicht weiter darüber nach, sondern rieb sich verärgert den Schädel. Er beugte sich nach vorne und hielt sich an der Tischplatte fest. Trotz der Finsternis fand er mit zielsicherem Griff sein Shirt auf der
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