Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
Vom Netzwerk:
noch?“
    „Eine andere Möglichkeit zur Stabilisierung des Kahns wäre das Umpumpen der Ballasttanks. Wofür s ind die sonst gut? Aber vermutlich hält der Alte das für zu gefährlich.“
    „Und warum? Was hat er gesagt?“
    Der Decksmann zuckte lässig mit den Schultern und bohrte voll Eifer in seinem Ohr, als sei er auf der Suche nach Gold. „Zu mir, einem Hilfsarbeiter, bestimmt nichts. Möchte wetten, der würde mich selbst dann noch übersehen, wenn ich direkt vor ihm stehe. Und wer kann schon seine Gedankengänge nachvollziehen? Ich auf jeden Fall nicht. Das Gegenfluten ist zugegeben eine gefährliche Maßnahme und erfordert eine Menge Fingerspitzengefühl.“
    „Und das traust du dem Alten nicht zu? Vielleicht sollte er dich um Rat fragen , Super-Mario“, entgegnete der Koch und packte so viel Sarkasmus in seine Stimme, wie darin Platz hatte. „Bist du dir sicher, dass dies deine erste Fahrt ist?“
    Ossi leerte hastig seine Kaffeetasse und griff erneut nach der Zigarettenschachtel , während Svend zu überlegen schien, womit sich diese letzte Bemerkung quittieren ließ.
    Dann beschloss er, sie zu ignorieren und erklärte stattdessen: „Mit dem Gegenfluten ist es durchaus machbar, wieder eine aufrechte Schwimmlage herzustellen. Die übergegangene Ladung könnte dann allerdings beim Zurückfallen die Schlagseite nach der anderen Seite erheblich vergrößern. Das hat ab einem gewissen Zeitpunkt keiner mehr unter Kontrolle. Sind die Tanks erst einmal einseitig gefüllt, würden sie schon bei symmetrisch liegender Eisenladung eine Schlagseite herbeiführen.“
    Ossi klatschte drei Mal betont langsam in die Hände. „Du hast deinen Text brav gelernt“, applaudierte er voll Hohn. „Und wie sieht das Ganze in der Praxis aus?“
    „Fast unmöglich.“
    „Fast?“
    „Ja.“
    „Und dann?“
    „Und dann? Und dann?“, echote Svend und lachte freudlos auf. „Dann bliebe höchstens eine rigorose Kursänderung. Für den Seelenfrieden des Alten hoffe ich, er möge verdammt gute Gründe dafür haben, es nicht zu tun. Möglicherweise hat er Angst, dass ihm die wilde ‚Colette’ hinterherläuft. Ihre Zugrichtung ist nicht konstant.“
    „Übergegangene Ladung. Sag, was das schlimmstenfalls für uns bedeutet“, wiederholte Ossi barsch seine Frage, obwohl er die Ant wort längst kannte. Ihm war klar, was ihnen bevorstand, dennoch hoffte er das erste Mal in seinem Leben, mit seinen Vermutungen völlig daneben zu liegen. Vermutungen? Nein, er wusste es. Trotzdem klammerte er sich an seinen kindischen Wunsch, wider besseres Wissen nicht Recht zu behalten. Er war nicht unbelehrbar wie sein Freund.
    „Das heißt, du ahnungsloser Junge, dass die Schlagseite unseres Kahns allmählich zunehmen wird. Machen wir uns nichts vor, wir sitzen in einem Leichenwagen. Über kurz oder lang, so Gott will und kein gewaltiges Wunder geschieht, werden wir kentern.“

1 5. Kapitel
     
    Sein Herz schlug noch einen Tick schneller, bis es richtiggehend schmerzte. Er war sich die ganze Zeit über sicher gewesen, wenngleich er die Tatsachen zu verdrängen versucht hatte. Und nun erstickten Berners klare Worte den letzten Funken Hoffnung in ihm.
    „Kentern? Du meinst … kentern?“
    Guten Morgen! Jeder Idiot musste das inzwischen begriffen haben! Was hatte er sich denn vorgestellt, was die Nautiker der zunehmenden Schlagseite entgegensetzen konnten?
    Zum Teufel, w oher sollte er das wissen? Die auf der Brücke waren im Gegensatz zu ihm lange genug zur Schule gegangen! Er, der dämliche Koch, der es nicht einmal fertiggebracht hatte, das Abitur abzulegen, hatte keine Ahnung davon – und da konnte er noch so viele geniale Nautiker zum Freund haben. Verlass dich getrost auf die Schiffsführung, die macht das schon! Genau wie du dich immer auf deinen Freund verlassen konntest.
    Voller Unmut bemerkte er das Zittern seiner Hand, in der er s chon die dritte Zigarette hielt. Er starrte sie genau drei Sekunden lang an, als hätte er nie zuvor eine gesehen. Dann drückte er sie hastig auf dem Teller aus, den Svend als Aschenbecher missbrauchte.
    Lass dich jetzt bloß nicht von diesem kleinen Schwätzer verrückt machen, rief er sich zur Besinnung. Deine sieben Leben sind längst nicht verspielt. Schon vergessen, in wie viel auswegloseren Situationen du bereits gesteckt hast? Und jedes Mal hast du es irgendwie geschafft, dich an den eigenen Haaren aus der Scheiße zu ziehen.
    Diese Tatsache ließ sich freilich nicht leugnen, allerdings war er

Weitere Kostenlose Bücher