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Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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taub vor, bloß ab und an fuhr ein stechender Schmerz hindurch. Ein erstickter Schreckenslaut quälte sich aus ihrer Brust, während sich in ihren Gedanken das Rasiermessergrinsen eines aufgerissenen Haifischmauls zu einem lebendigen Bild formte. Sie lachte hysterisch und zwang sich, die Beine zu bewegen, vorsichtig, obwohl ihr der Schmerz beinahe den Verstand raubte. Nur, um sicher zu gehen.
    Plötzlich packte sie eiskalte Wut auf den Tod, der seine Klauen nach ihr ausstreckte. Oh nein, sie fürchtete ihn wirklich nicht. Aber ihr war einfach nicht nach Sterben. Nicht jetzt! Sie hatte auf dieser Erde noch ein paar Dinge zu erledigen. Ein andermal gern, aber heute passte es ihr überhaupt nicht in den Kram. Und schon gar nicht so – ohne zu kämpfen. Niemals!
    Endlich schlug sie die Augen auf. Wie ein Schleier hatten sich die langen Haare über ihr Gesicht gelegt. Ihre Schulter schmerzte höllisch, als sie die Hand heben wollte, um die störende Strähne zur Seite zu wischen. Lediglich wenige Meter neben sich erkannte sie den Chief Mate, der in die Tiefe gezogen wurde. Sie konnte ihm nicht zu Hilfe kommen. Immer wieder schlugen die Wogen über ihr zusammen, während sie wie irr mit Händen und Füßen strampelte, um dem tödlichen Sog Paroli zu bieten, der sie wie ein Magnet anzog und mit sich reißen wollte.
    Nein , noch nicht! Ich muss erst mit dieser Schafsnase Adrian reden. Ein einziges Mal bloß. Bitte, Du, der Du bist im Himmel, gib mir die Zeit, diese eine offene Rechnung zu begleichen.
    Du hast es gleich geschafft, hörte sie urplötzlich die vertraute, sanfte Stimme von Svend dicht an ihrem Ohr. Ihr Kopf ruckte herum. Sie schrie auf, als der Schmerz wie ein Messer durch ihre Schulter fuhr und ihr die Tränen aus den Augen trieb. Svend! Sie musste ihn finden. Er hatte keine Weste um und deswegen musste sie ihm helfen. Aber sie konnte den kleinen Decksmann nirgends sehen. Unbarmherzig trafen sie die schaumgekrönten Wellen und drückten sie nach unten wie eine unsichtbare Hand.
    Gib nicht auf! D u bist gleich oben, meine Lütte. Noch ein Stück. Er hat es dir nicht gesagt, trotzdem wissen wir beide doch, wie sehr Ossi dich liebt. Halt durch – für ihn und dein Baby, meinetwegen auch für mich. Nur gib dich, um unser aller Willen, nicht auf!
    Susannes Kopf tauchte ein weiteres Mal kurz auf und mit weit aufgerissenem Mund schnappte sie nach Luft. Ihr Atem ging keuchend und in heftigen Stößen. Sie mühte sich vergeblich, einen Blick zurückzuwerfen. Durch den Auftrieb der Schaumstofffüllung im Rettungskragen wurde ihr Körper in Rückenlage gezwungen. Und so sah sie lediglich Wasser, aus allen Richtungen nichts als Wasser, das auf sie einstürzte, sie unter sich begrub und ihren erschöpften Körper übermütig wie einen Ball hin und her warf.
    Das Schiff … einfach verschwunden! Innerhalb von Sekunden … weg! Lautlos versunken in den unergründlichen Tiefen des Meeres. An der Stelle, wo eben noch der mächtige Bulkcarrier „Fritz Stoltz“ auf seiner Steuerbordseite gelegen hatte, stiegen blubbernd dicke Luftblasen an die Oberfläche.
    Eine leere Rettungsweste hüpfte neben Suse auf und nieder und schien sie zu verhöhnen. Zu Tode erschrocken schrie sie auf, als erst eine Holzbohle aus dem Wasser heraus und um Haaresbreite an ihr vorbei schoss und sich nach und nach ebenfalls Schotte, Rettungsringe und Fender, Backskisten und Ruderpinnen von dem gesunkenen Schiff lösten und an die Oberfläche trieben.
    Sollte sie ihrem nassen Grab erst im stählernen Schiffsrumpf und dann im Haifischmagen entgangen sein, bloß um jetzt von einer blöden Holzlatte erschlagen zu werden? Oooh nein, ganz bestimmt nicht! Das würde sie nicht zulassen! Sie konnte nicht auf eine derart unspektakuläre Weise die Flocke machen. Das passte einfach nicht zu ihr.
    W arum hatte der Kapitän sie belogen? Alle hatten ihm blind vertraut und seinen einlullenden Ammenmärchen geglaubt. Dieser beschissene Kahn, so hatte er steif und fest behauptet, würde im Verschlusszustand nicht untergehen, bevor nicht Hilfe eintraf. Und wo war dieser Besserwisser jetzt? Wo war die versprochene Hilfe? Wo waren all die anderen?
    Sc hau nicht zurück, Suse! Weshalb machst du dir Gedanken um das Schiff? Es ist verloren. Im Gegensatz zu dir hat es keine Chance mehr. Du musst zum Rettungsboot. Du wirst es schaffen!
    Sie drehte ihren Kopf noch ein Stück weiter, bis ihr e Halsmuskeln sich verkrampften. Sie wollte nach Svend rufen, doch ihre Stimme war nicht

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