Frau an Bord (Das Kleeblatt)
versprochen und er hat es auch Adrian versprochen!
Wie in einem Film lief en die Szenen vor ihren Augen ab. Sie schien mitten in dem infernalischen Geschehen zu sein, aber gleichzeitig auch wieder unbeteiligt davon, überstieg es doch jedes gesunde Vorstellungsvermögen, was da passierte. Hysterisch kreischte sie plötzlich los, weil das ja bloß ein Film sein konnte, in dem sie saß! Ein absolut blöder Film, wirklich wahr. Hatte der Mixer einen so grauslichen Geschmack? Also ehrlich, sie hatte ihm mehr zugetraut. Dann lieber zum tausendsten Mal „Lady Shatterley“.
Ihr Blick verschwamm. Sie konnte nichts mehr um sich herum erkennen, hörte nichts anderes als das auf sie zuschießende Wasser, dunkles, schäumendes Wasser, das seine tödlichen Krallen nach den Seeleuten ausstreckte und selbst vor einer Frau nicht Halt machen würde. Ihre Füße verhedderten sich im aufgerollten Tauwerk. Sie strauchelte und wollte sich entkräftet fallenlassen, die hilfreichen Hände indes, die sie niemandem zuordnen konnte, fingen sie auch dieses Mal auf und stellten sie auf die Füße. Gleich darauf wurde sie in die Tiefe gestoßen.
Einen schrecklichen Augenblick lang flog sie durch die Luft. Der Aufprall auf dem Wasser war dermaßen heftig, dass die Schwimmweste wie eine geballte Faust gegen ihr Kinn schlug. Susanne schmeckte das Blut in ihrem Mund, konnte allerdings nicht herausfinden, ob sie sich lediglich auf die Zunge oder die Lippe gebissen oder sich einen Zahn ausgeschlagen hatte. Die unerwartete Kälte nahm ihr den Atem und ließ ihren Herzschlag stocken. Wie betäubt versank sie in den Fluten, ohne Orientierung, ohne ein Gefühl für oben und unten. Die See schlang ihre eisigen Arme um sie und zog sie tiefer und tiefer in ihr gefräßiges Maul hinab. Die Umarmung des Todes.
Mit einem Seufzer schloss Susanne die Augen und ergab sich in ihr Schicksal. Was hätte sie sonst tun sollen? Wasser drang ihr in die Ohren und Nase. Alles, was in ihrem Blickfeld lag, bekam schwammige Ränder und grellgelbe Flecken tanzten vor ihren Augen. Kälte übermannte sie. Die tiefe, alles durchdringende Kälte eines Ozeans, so alt wie die Welt und gleichgültig all jenen Geschöpfen gegenüber, die es wagten, ihn herauszufordern.
Als sie tiefer tauchte, gezogen von unberechenbaren Strömungen, schloss sich die Dunkelheit um sie. Nein, sie würde es nicht schaffen. Sie war müde und wollte nicht mehr kämpfen. Außerdem fiel ihr kein überzeugender Grund ein, für den zu kämpfen sich lohnen würde.
Für Adrian?
Oh ja, Adrian, mein wunderhübscher, starker Ossi. Wie bedauerlich, dass ich keine Gelegenheit hatte, dir von unserem Baby zu erzählen. Ich habe dir so vieles nicht erzählt. Nicht einmal bis in den Fitnessraum habe ich es in all den Wochen geschafft, gerade mal zwei Decks tiefer. Keine zwanzig Schritte, für die ich mir nicht die Zeit genommen habe, obwohl es sich unter Garantie gelohnt hätte. Aus welchem Grund eigentlich? Zu spät. Tut mir leid, wirst es überleben. Das wünsche ich dir wirklich von ganzem Herzen. Wem, wenn nicht dir?
Ob ich Simone begegne? Aber nein, Svend hat gesagt, dass sie das Floß erreicht und gerettet wird. Cat, dann nimm du mich zu dir. Du wirst strahlend schön sein wie vor dem Unfall, bei dem nichts von dir übrig blieb. Wir werden tierisch viel Spaß haben da oben, soviel steht schon mal fest, wenn wir all die Engel aufmischen und wüste Partys schmeißen wie in den guten alten Zeiten.
Sterben tut nicht weh, Adrian. Ich glaube fast, wir fürchten den Tod nicht so sehr wie das Sterben an sich. Wir fürchten das Wie und nicht die Tatsache, dass wir sterben werden, philosophierte sie. Schließlich wissen wir, dass wir alle eines Tages sterben. Lediglich das Wie ist eine unbekannte Größe. Es ist diese Ungewissheit, die Angst vor Schmerzen und Siechtum, die uns den Tod so unsympathisch macht.
I m nächsten Moment schlug Suse halb erstickt um sich und trat voll Panik nach allen Seiten. Irgendetwas hatte sich um ihr Fußgelenk gewickelt, hielt sie fest und zerrte an ihr. Sie konnte nicht erkennen, was es war.
Ihr Kopf durchstieß die Wasseroberfläche und sie riss den Mund zu einem tiefen Atemzug auf. Zischend strömte die salzige Luft in ihre leere Lunge und blähte sie wie einen Ballon auf. Sie hustete und spuckte Wasser, als die nächste Woge sie mitten ins Gesicht traf. Wieder schluckte sie Wasser.
Und erst jetzt bemerkte sie, dass mit ihrem Bein etwas nicht in Ordnung war. Es kam ihr seltsam
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