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Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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schon zu sehr geschwächt, um die Kontrolle über ihren Willen und ihre Muskeln zu behalten.
    Plötzlich stieß der Kopf des Chief Mate durch die dunkle Wasseroberfläche. Zehn, vielleicht zwölf Meter, größer war die Entfernung zwischen Chief und dem rettenden Boot nicht, gleichwohl erschien es Suse wie eine halbe Ewigkeit, bis er das Boot erreichte. Bruchstückhaft und als wäre sie ein außenstehender Betrachter, nahm sie wahr, was sich um sie herum abspielte. Sie glaubte, Jons Linke, Botho und einen der Lehrlinge am Boot zu erkennen, allerdings war sie nicht sicher, ob ihre Sinne sie nicht bloß täuschten. Und es beeindruckte sie nicht einmal sonderlich. Sogar die neuerliche Begegnung mit dem Second ließ sie völlig kalt.
    Wie nichtig und klein erschienen ihr alle Bedenken vom vergangenen Abend, als sie gebangt hatte, Jons Linke könnte über ihre mögliche Schwangerschaft tratschen. War das wirklich erst einen Tag her? Wen hätte dieses ihrer Probleme heute, jetzt und hier noch interessiert? Es war einfach lachhaft! Als würde wegen eines ungeplanten Kindes gleich die Welt untergehen.
    S ie wusste nicht mehr, wie lange sie an den Seilen des Bootes gehangen hatte, als sie einen starken Arm fühlte, der sich um ihre Taille legte und damit ihre verspannten Schultern und Handgelenke entlastete. Jemand flüsterte schmeichelnde Worte in ihr Ohr, von denen sie nicht ein einziges verstehen konnte. Der tobende Sturm trug die Wortfetzen davon, dennoch beruhigte Bothos warme Stimme die Frau. Sie war nicht allein.
    Bl oß Adrian hatte sie alleingelassen. Sie hätte es wissen müssen! Von Anfang an hatte sich ihre Beziehung auf das Eine beschränkt. Seine einlullenden Sprüche von ewiger Liebe und Treue reichten bis zur Koje und nicht einen Schritt weiter. Sie lachte freudlos und die Tränen machten sie blind. Liebe? Sie fantasierte schon! Kein einziges Mal hatte er von Liebe geredet, ihr nie seine Treue geschworen oder sonst irgendwelchen romantischen Kitsch von sich gegeben.
    Und nun würde sie ihn vielleicht nie mals mehr wiedersehen!
    I n dieser Sekunde wurde ihr klar, dass sie – zähneknirschend zwar – trotzdem bis an ihr Ende auf alle sentimentalen Sprüche von Adrian verzichten würde, wenn sie ihn nur am Leben wüsste. Sollte er schweigen, so viel er mochte, Hauptsache, er käme gesund und munter aus diesem Schlamassel heraus. Ihm durfte einfach nichts passiert sein!
    Sie schickte ein weiteres Stoßgebet an den Gott, den sie bislang höchstens in der fragwürdigen Form eines Fluches angesprochen hatte. Sie machte dem Allmächtigen die unmöglichsten Versprechungen, falls er Adrian vor allem Unglück bewahrte. Sie würde jeden Sonntag zur Kirche gehen , obwohl sie niemanden kannte, der das wirklich tat. Sie würde all ihren Besitz an die Bedürftigen verteilen (Äh, welchen Besitz?). Und vor allem würde sie nie wieder einen Gedanken daran verschwenden, Adrian lediglich zum Vergnügen zurück in ihr Bett zu holen (unmöglich!), wenn er bloß seine schützende Hand über ihn hielt und heil nach Hause brachte.
    Allen erschien es wie ein Wunder, als in diesem Augenblick die Erkennungsleuchte eines weiteren Rettungskragens vor ihnen sichtbar wurde. Aufgeregt riefen und winkten die Männer, wie sie es zuvor bei Suse und dem Chief Mate getan hatten. Eine halbe Stunde nach dem Untergang der „Fritz Stoltz“ erreichte Hans Nienberg das Boot. Der alte Funkoffizier konnte seine Augen nicht einmal mehr vor Erschöpfung offen halten, geschweige denn zurückwinken.
    Aber er lebte!
    Und ein schwacher Funke Hoffnung glimmte in ihnen auf, vielleicht noch einige der anderen Schiffbrüchigen zu finden. Inzwischen verteilten sich der Chief Mate, der Second Jons Linke, der Funkoffizier Hans Nienberg mit seiner Assistentin, der Vollmatrose Botho und zwei Lehrlinge rings um das gekenterte Rettungsboot.
    Sieben von einstmals vierunddreißig Mann Besatzung!
    Botho schüttelte entsetzt den Kopf, als Suse mit schwacher Stimme diese Rechnung aufmachte. Zärtlich strich sein Daumen über ihre aufgesprungenen Lippen.
    „ Nein, Suse, sag nicht so was. Du vergisst die Jungs von der anderen Seite“, versuchte er sie zu beschwichtigen. „Sie hatten auf jeden Fall eine bessere Ausgangsposition als wir. Frag mich nicht, warum wir nicht ebenfalls nach Steuerbord sind, um von dort einfach freizuschwimmen. Sie haben es unter Garantie geschafft. Und die anderen werden wir noch aufsammeln, wart ’s ab. Spätestens, wenn es hell wird. Weit

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