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Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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gebeutelte Schiff. Ächzend legte sich die „Fritz Stoltz“ unter dem Druck der übergehenden Roheisenmasseln und des eingedrungenen Wassers noch einige Grad weiter auf die Steuerbordseite. Die Luft wurde aus dem Schiffskörper gedrückt. Es klang wie das Fauchen einer Wildkatze.
    Doch allen war bewusst, dass dies die letzten Atemzüge eines dem sicheren Tod Geweihten waren.

1 8. Kapitel
     
    Suse erstarb jedes weitere Wort auf den Lippen. Sie beobachtete einen der Matrosenlehrlinge dabei, wie er auf Händen und Knien über das schlierige Deck kroch. Mühsam kämpfte er sich Zentimeter für Zentimeter an das Geländer heran, bis die nächste Welle über ihm zusammenschlug und ihn wieder zurückschleuderte. Aus den Augenwinkeln nahm sie wahr, wie schräg hinter ihr etwas über das Deck flog, allerdings konnte sie nicht erkennen, wer oder was es war, weil der Rettungskragen ihre Sicht einschränkte. Aber sie hörte einen gellenden Schrei, welcher ihr Blut in den Adern gefrieren ließ.
    Ein Gemisch aus Brennstoff, Luft und Wasser spritzte mit hohem Druck aus dem Schiff und verwandelte das Deck in eine riesige Rutschbahn. Instinktiv versuchte sich Suse festzuhalten. Festhalten! Irgendwo! war der einzige Gedanke, der ihr Hirn zuließ. Nur nicht abrutschen! Sie wollte den Arm des Decksmannes packen, der eben noch neben ihr gestanden hatte, und griff ins Leere. Im nächsten Moment sah sie, wie er stolperte und das Gleichgewicht verlor. Verzweifelt mit den Armen rudernd schlitterte Svend über das glitschige Schiffsdeck.
    Mit einer beschwörenden Geste streckte Susanne ihre Hand nach dem kleinen Decksmann aus, doch der fiel auf alle Viere, drehte sich mehrmals um seine eigene Achse, ehe er mit brutaler Wucht an das Windenhaus geschleudert wurde. Dann hörte sie das Knirschen und Splittern von Knochen, als sein Kopf gegen einen Stahlträger schlug.
    Scheinbar unbeeindru ckt von dieser Rutschpartie wandte Svend sein Gesicht langsam in ihre Richtung. Es war kalkweiß. Das jungenhafte Lächeln auf seinen Lippen erstarb und machte grenzenloser Verwunderung Platz. Ein dünner Blutfaden lief aus seinem Ohr den Hals hinab in seinen Kragen. Ihm fielen die Augenlider zu, gleich darauf hoben sie sich noch einmal flatternd wie die Flügel eines Schmetterlings. Die bandagierten Hände des Mannes zuckten unkontrolliert, sein Mund öffnete sich, als wollte er Suse einen letzten Gruß senden, dann blieb er reglos liegen.
    Eisige Kälte lähmte Sus anne. Ihre leeren Hände verharrten hilflos in der Luft. Sie wollte schreien, wollte zu dem Decksmann und ihm auf die Beine helfen. Warum hatte er immer noch keinen Rettungskragen um? Und warum kam ihm niemand zu Hilfe? Wo waren die anderen? Der Lehrling musste gleich hier irgendwo sein. Sie hatte ihn gesehen.
    Ste h auf, Svend, mach schon, lass mich nicht allein! Du hast Adrian versprochen, dich um mich zu kümmern. Ich schaffe es nicht ohne dich! Komm mir wenigstens ein kleines Stück entgegen!
    L autlose Schreie dröhnten wie Glockenschläge in ihrem Kopf. Die Hände auf die Ohren gepresst ging sie in die Knie, krümmte sich mit einem durchdringenden Stöhnen, das abrupt endete, als sie ihren Mageninhalt von sich gab.
    Und das Wasser kroch langsam, aber unaufhaltsam näher auf sie zu. Stück für Stück fraß es gierig den kläglichen Rest des Schiffes, der sich vergeblich über der Wasseroberfläche zu halten versuchte.
    Das konnte nur bedeuten, dass …
    WIR SINKEN!
    „Männer, alle in den Bach!“
    Die heisere Stimme des Alten ging im Tosen des Sturmes unter, doch einer der Assis hievte sich bereits über das Schanzkleid, stolperte über die nahezu waagerecht liegende Bordwand und sprang ins Wasser. Die eben noch zuversichtlich und diszipliniert auf ihre Rettung wartenden Seeleute erfasste helle Panik. In wildem Durcheinander drängten sie vorwärts, alle Vorsicht vergessend, bis die nächste Welle heranbrauste und über Bord spülte, was keinen Halt gefunden hatte.
    Die Funkerin fühlte sich von Händen gepackt, die sich wie Eisenklammern um ihre Oberarm e legten, sie auf die Füße zerrten und nicht wieder losließen.
    Nein! Ih r dürft Svend dort nicht liegenlassen! Ihr Kopf ruckte herum, wo sie weder das Windenhaus noch den Decksmann finden konnte. Ich habe ihn gesehen … eben erst … Svend!
    Unsägliche s Grauen packte sie und schüttelte ihren schmächtigen Körper durch. Glucksend schluchzte sie auf und schnappte nach Luft. Er hat versprochen, bei mir zu bleiben! Er hat es mir

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