Frau Bengtsson geht zum Teufel
ihr plötzlich auf. Weiblich. Das war es, was falsch an dem Hemd war und warum sie keine Buddhafiguren und Räucherstäbchen kaufen wollte.
»Miau«, sagte Frau Bengtsson zu dem Kätzchen.
»Ja, genau. Miau«, antwortete das Kätzchen munter.
»Bastet«, flüsterte Frau Bengtsson, und Yersinia streckte den Rücken und spitzte die Ohren. Sie erkannte sehr wohl ihren Namen aus einer anderen Welt und einer anderen Zeit. Bastet. Sie begann hemmungslos zu schnurren, und Frau Bengtsson tat es ihr fast nach. Endlich war es ihr eingefallen. Sie brauchte keinen anderen Gott neben Ihm zu suchen, weil sie schon immer einen gehabt hatte. Sie hatte es bloß vergessen.
Als sie ins Haus zurückkehrte, fiel ihr Blick geradewegs auf die zwei giftgrünen Katzenfiguren auf der Fensterbank im Wohnzimmer. Herr Bengtsson hatte versucht, ihr den Kauf auszureden. Sie waren ja aus Stein! Und sicher nicht besonders stabil. Sollten sie wirklich kiloweise Stein über den halben Globus schleppen, um daheim nur Bruchstücke auszupacken? Aber sie hatte insistiert.
Sie nahm eine der beiden und wischte verschämt die Staubschicht ab, die sich zwischen den Katzenohren angesammelt hatte. Die Figuren waren nicht besonders gut gepflegt, aber immer noch andächtig schön. Jede von ihnen hielt ein Stück Kobra zwischen den Vorderpfoten.
Sayid, ihr ägyptischer Reiseführer und zweifelsohne Ägyptens fröhlichster Mann, hatte ihnen von der Katzengöttin Bastet erzählt. Sie war die Göttin des Weins und der Liebe, und ihre Verehrer hatten der Nachwelt haufenweise mumifizierte Katzenleichen hinterlassen. Eine Stadt, Bubastis, war so angetan von der rätselhaften Frau mit dem Katzenkopf und ihrer ständigen Begleiterin, der Kobra, dass sie Ruhm als Kultstätte erlangte. Herodot schrieb, dass ihre Bewohner im Fall eines Brandes zuerst ihre Katzen retteten und dann ihr Eigentum. Und das nicht nur in Bubastis. Die Katze war im gesamten Reich heilig. Im
Ägyptischen Totenbuch
– einem mythenumwobenen Werk – wird sie als Tier der Sonnengöttin abgebildet. Aber das war lange her, erzählte Sayid. Der moderne Ägypter sah in Bastet nicht mehr die Katze. »Bastet the Housewife« hatte der Reiseführer sie genannt. Vielleicht war das der Grund, warum Frau Bengtsson so fasziniert von ihr war. Nie zuvor hatte sie von einem göttlichen Wesen gehört, das der Hausfrau gewidmet war, aber sie fand, dass es an der Zeit war. Liebe und Wein – das spiegelte ihr Dasein.
Herr Bengtsson hatte sich damit abfinden müssen (als sie den Laden verließen, schüttelte der Verkäufer betrübt den turbanbekleideten Kopf über das Unvermögen der westlichen Männer, ihre Frauen zu kontrollieren, bevor er die frisch verdienten Banknoten zusammenrollte und vergnügt lächelte) und vor der Heimreise die zwei Statuetten vorsichtig in Handtücher gewickelt.
Hier standen sie nun, unversehrt und giftgrün. Ein Symbol der Selbstanbetung. Natürlich hatte sie schon einen Gott neben Ihm. Eine Göttin, genauer gesagt.
»Das ist auch eine Frage der Gleichstellung«, konstatierte sie zufrieden, trug die Katzen in die Küche und spülte sie, bis sie ihren Glanz wiederhatten. Dass Bastet auch eine Fruchtbarkeitsgöttin war, ignorierte unsere Hausfrau geflissentlich. Perfekt! Die Bewunderung, die sie für Gott gehegt hatte, ließ sich ohne weiteres auf diese Bastet übertragen.
Als außenstehende Betrachterin fand Yersinia, dass Frau Bengtsson Bastets wichtigsten Aspekt außer Acht gelassen hatte. Genau wie Rakelsatan wusste sie, dass die Göttin ursprünglich eine Löwengöttin gewesen war. Die Göttin der Rache. Im Lauf der Jahre wurde diese Eigenschaft auf eine andere Göttin, Sachmet, übertragen. Die Ägypter nannten sie die dunkle Seite der Bastet. Aber das war bloß die wirre Phantasie der Menschen. Bastet war Bastet, und keiner konnte behaupten, dass Frau Bengtsson nicht von dem Gedanken an Rache getrieben war. Er erfüllte sie so sehr, dass er fast zur Religion wurde.
Als die Katzenfiguren sauber waren und sie das schreckliche Hemd ausgezogen hatte, holte sie das Fotoalbum von der Reise hervor und verbrachte ein paar Stunden im Ägypten ihrer Erinnerung.
Sie saß am Fuß der Memnonkolosse, schritt durch eine Sphinxallee in Karnak und stand stumm vor Staunen vor der Cheopspyramide oder dem Tempel in Abu Simbel.
Wie hübsch und schlank ich war, dachte sie und blätterte weiter.
Auf einem Foto ergriff eine Hundertschaft Störche die Flucht, auf einem anderen schaute Frau
Weitere Kostenlose Bücher