Frau Bengtsson geht zum Teufel
weiter. Dann sagte sie plötzlich: »So. Jeden Tag ein bisschen davon, und der Punkt dürfte abgehakt sein.« Dann endlich sah sie ihn an.
Er suchte und suchte in seinem Schlagervorrat, aber alles, was ihm einfiel, war »Albatros« – und damit konnte er ja nicht antworten.
Oder doch? Er begriff nämlich nicht, worüber sie redete. Er summte sich im Stillen durch den Text.
»Du fliegst hoch über fremde Länder?«, versuchte er.
Die Witwe lachte. »Ja, Beggo, das kann man wohl sagen. Du triffst immer den Nagel auf den Kopf.«
Beggo war zufrieden; die Phrase war anwendbar. Nicht dass er verstanden hätte, worüber sie redete, aber offenbar verstand
sie
ihn.
Auf der anderen Straßenseite saß Yersinia auf Rakels Briefkasten, leckte sich die rechte Vorderpfote und hörte dem Gespräch zu, ohne es zu verstehen. Die Frau mit den schönen Schienbeinen und den wohlduftenden Füßen stand vor einem großen, gelben Biest. Das Biest hatte jemanden verschlungen, aber das schien ihm nichts auszumachen, denn er redete ganz normal und ruhig mit der Frau. Yersinia schleckte die andere Pfote und beobachtete neugierig das Schauspiel.
Der Verschluckte holte etwas aus dem Magen des Biestes und reichte es der Frau, wobei seine Vordertatze ihre berührte. Sofort roch das Kätzchen die erhöhte Menge Pheromone. Für ein Tier mit so scharfem Geruchssinn wie Yersinia war es völlig klar, dass der Verschluckte sich mit der Frau paaren wollte. Warum er sie nicht einfach fest in den Nacken biss und zur Tat schritt, begriff das Kätzchen nicht, zumal das Weibchen sehr gewillt schien.
Wie ein Stromstoß durchfuhr es Frau Bengtsson, als ihre Hand Beggos berührte. Natürlich. Was könnte besser zu einer Hausfrau passen, wenn sie schon ihren Mann betrügen musste, als es mit dem Briefträger zu tun? Frau Bengtsson überlegte gar nicht erst, ob Beggo willig war oder nicht; den Mann hatte sie noch nicht getroffen, den sie nicht verführen konnte. Und plötzlich sah sie ihn in einem anderen Licht. Er war nicht mehr Beggo, der Briefträger, sondern Beggo,
der
Briefträger. Sie bemerkte seine schlanken Finger und die gepflegten, etwas ovalen und sinnlich gewölbten Fingernägel. Wie würde es sich wohl anfühlen, ihm mit den Fingern durch die dichten schwarzen Locken zu fahren? Beggo war schlank und groß und doch muskulös. Fremdling, was versteckst du unter deinen Kleidern?, dachte sie und konnte sich kaum noch beherrschen. Ein schokoladenfarbener Krieger aus der Savanne. Ja, die Phantasie funktionierte, signalisierte ihr Körper und stieß eine Wolke von Pheromonen aus. Yersinia war so überrascht, dass sie vergaß, ihre Pfote zu lecken.
»Geht es Ihnen gut?« Beggo hatte den Umschlag losgelassen, aber die Witwe beugte sich weiter in den Wagen und betrachtete ihn. Seltsam, irgendwie sah sie ihn viel gründlicher als sonst an, ihr Blick schien voller Begierde, aber gleichzeitig fern. Ihr Hemd hing nach vorne, und er musste sich beherrschen, ihr nicht in den Ausschnitt zu schauen. Beggo war gut erzogen, so etwas tat man nicht. Als es unerträglich wurde, stellte er seine Frage.
Ihr Blick wurde wieder heller, als wäre sie in ihren Körper zurückgekehrt.
»Was? Doch, Beggo, es ist alles in Ordnung. Entschuldige bitte, ich musste einfach deinen Teint bewundern.« Sie streckte eine Hand in den Wagen und streichelte ihm mit dem Handrücken über die Wange. Beggo war wie versteinert vor Schreck – die beste Voraussetzung für eine Verführung, dachte Frau Bengtsson. »Du bist ein fescher Mann, hab ich dir das schon mal gesagt?«
»Ich?« Er räusperte sich. »Ich. Sie …« In diesem Moment ging es mit ihm durch. »Wer bin ich, und wer bist du?«
»Ja, die Frage ist berechtigt«, sagte die Witwe und lachte. »Komm doch mal auf einen Kaffee zu mir rein.« Sie zwinkerte ihm zu und trat einen Schritt zurück.
Voller Angst und verrückt vor Gefühlen startete Beggo den Wagen und fuhr an zwei Häusern vorbei, bevor ihm einfiel, dass er Post austragen sollte. Er hielt an. Zurücksetzen wollte er nicht, falls die Witwe noch zusah, also wartete er. Und grübelte. Im Stillen sang er weiter: »Du und ich sind immer wir, ob du dort bist oder hier.«
Frau Bengtsson war erleichtert. Sie schämte sich ein wenig, war aber gleichzeitig erregt. Nie war sie untreu gewesen, aber der Reiz des Verbotenen lockte. Sie fühlte sich unerhört weiblich, und als sie aufblickte und Yersinia wie eine perfekte Statue auf dem Briefkasten gegenüber sitzen sah, fiel es
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