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Frau des Windes - Roman

Frau des Windes - Roman

Titel: Frau des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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gehören seit dem Tag, als seine Mutter ihn ins Waisenhaus brachte, verbieten es ihm, die Stimme zu erheben.
    Für Chiki ist alles eine Nummer zu groß.
    Fasziniert von Leonoras Malerei, schreibt Edward 1948 einen achtseitigen Essay über ihr Werk. Er wirbt für die Künstlerin, und keine zwei Monate später organisiert er ihre erste Ausstellung in New York.
    »Ich kann nicht persönlich dabei sein, ich stecke hier zwischen Windeln und Fläschchen fest.«
    Der englische Millionärserbe führt ein aufregendes Leben, und so klingen auch seine Briefe an Leonora, wenn er zwecks Verwaltung seiner Gelder auf Reisen ist. Die Briefe sind wie sein Leben: eine Anregung zur Kreativität. Geld hat er, weil er Geld zu machen versteht, Erfolg, weil er ein geborener Sieger ist. ›Welche Galerie wäre dir lieber, Leonora? Ich würde dir die von Pierre Matisse, Henris Sohn, empfehlen, aber auch die Galerie von Alexander Iolas käme in Frage. Ich kenne beide, ich kann mit beiden reden und eine Einzelausstellung für dich organisieren. Außerdem habe ich Verbindung zu den Kunsthändlern Karl Nierendorf und Julien Levy. Aber am besten wärst du, glaube ich, bei Matisse aufgehoben; wenn du willst, rufe ich mal an.‹
    Maurie kommt nach Mexiko und staunt, wie gekonnt Leonora ihr Kind versorgt.
    »Man könnte meinen, du hättest dein Leben lang Säuglinge betreut. Wirst du ihn nicht taufen?«, fragt sie.
    »Nein, er ist Jude.«
    »Aber du nicht.«
    »Ich bin zwar keine Jüdin, aber ich habe immer gewusst, dass alles, was ich, eine keltisch-sächsische Arierin, erlitten habe, eine Vergeltung für die Judenverfolgung war. Und selbst wenn ich Jüdin wäre, würde ich meinem Kind meine Religion nicht aufdrängen.«
    Leonora hat sich noch nie so wohl gefühlt. Ihre Bilder feiern die Geburt von Harold Gabriel. Zwischen schlaflosen Nächten und Besuchen beim Kinderarzt malt sie – mit Feuereifer, denn schon bald wird sie sich wieder um das Kind kümmern müssen. Es auf den Arm zu nehmen ist ein natürlicher Drang, genau wie das Malen. Kaum schließt der Kleine die Augen, läuft seine Mutter zurück zur Staffelei und arbeitet weiter an Night Nursery Everything und Kitchen Garden of the Eyot .
    Zum ersten Mal stellt Maurie Fragen zu den Figuren auf ihren Bildern.
    »Sie kommen einfach, woher, weiß ich nicht«, antwortet Leonora.
    »Vielleicht von deiner Großmutter Mary?«
    »Keine Ahnung.«
    »Oder aus deinem Unterbewusstsein?«
    »Ich weiß nicht, aus welchem Teil meiner selbst das kommt, was ich tue.«
    »Du hast es im Blut. Ich habe es dir vererbt. Ich habe ja auch gemalt.«
    »Weißt du, Mama«, sagt Leonora, »die Figuren steigen von selbst auf die Leinwand.«
    Leonora sehnt sich nach Edward James’ Rückkehr aus England, sie vermisst seinen bewundernden Blick. Sie schreibt ihm, nennt ihn Darling und würde ihn gern ihrer Mutter vorstellen, damit die sieht, dass es noch einen anderen Engländer aus der Oberschicht gibt, der so denkt wie sie. Seine Briefe aus London, Paris, Rom entschädigen sie für alle Mühen. Auf dem Papier ist er noch liebevoller als in Person. Dass sie mit diesem Mann in Verbindung steht, den sie fragen kann: »Welche Farbe?«, »Was fehlt?«, »Was ist zu viel?«, kommt ihr vor wie ein Himmelsgeschenk. Wenn er ihr vorschlägt, den Hintergrund zu ändern, malt sie ihn bereitwillig neu. Jetzt wüsste sie gerne, welchen Preis sie für das Bild festsetzen soll. Einmal hat Edward James ihr erklärt, in der Malerei kämen sämtliche unsichtbaren Anteile des eigenen Wesens an die Oberfläche, deshalb würde auch er gerne malen. Und eines Nachmittags ertappt sie ihn mit dem Pinsel in der Hand vor ihrem Bild Portrait of the Late Mrs. Partridge .
    »Was fällt dir ein?«, ruft sie entrüstet.
    »Ich wollte dir nur helfen«, erwidert er und legt beschämt den Pinsel aus der Hand.
    Ein Mädchen aus Oaxaca mit Rehaugen und straffen Zöpfen schaukelt die Wiege, während Leonora malt.
    »In Mexiko taugt ein Kindermädchen mehr als die eigene Mutter«, findet Maurie, die im Patio eine Avocadopflanze eintopft. »Die mexikanische Sonne ist zu stark für eine Irin.«
    Sie trägt einen Hut mit breiter Krempe, und die Höhe macht ihr zu schaffen. Neugierig mustert sie Chiki.
    »Dieser stumme Mann, der nie das Wort an mich richtet, hat dir gutgetan. Ich dachte ja, du würdest keine Kinder kriegen, aber jetzt sehe ich, dass du zur Vernunft gekommen bist.«
    Manchmal steht Maurie mitten in der Nacht auf, um ihren Enkel in den Arm zu

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