Frau Edelweiß und der Nato-Gipfel: Ein Schulkrimi - Der erste Fall von Frau Edelweiß (German Edition)
„völlig unnötig, der ist tot, dem kann niemand mehr helfen. Ich will da nicht reingezogen werden“, war der zweite Gedanke, der sie nicht mehr losließ. „Ich will nichts damit zu tun haben, die anderen sollen sich darum kümmern. Mich geht das nichts an“. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie es wenigstens schaffte ihre Hand zu bewegen. Sie wies die Kinder mit einer wegfegenden Handbewegung ab. Ihr Mund bewegte sich mühsam. „Geht ans Regal“, bekam sie gerade noch heraus. Die Kinder jubelten. Seit sie nicht mehr alle Stunden bei Frau Edelweiß hatten, sondern eine andere Lehrerin dazugekommen war, konnten sie nur Mathe und Deutsch bei ihr machen. Bei all der Fülle des Stoffes kamen sie selten dazu, einfach frei mit den vielen Lernspielen im Regal zu arbeiten. Die Kinder waren glücklich und vergaßen in all ihrer Geschäftigkeit, dass da eine Lehrerin saß, für die gerade ihr heiles Weltbild in sich zusammengestürzt war. Die ganze Schulstunde saß sie unbewegt da. Selbst ihre Gedanken waren stillgelegt. Sonst summte es in ihrem Kopf immer wie in einem Bienenstock. Jetzt war sie erfüllt von einer Stille. Irgendwann kam ein Kind zu ihr getreten. „Frau Edelweiß, die Stunde ist vorbei, wir haben jetzt Schule aus, soll ich die Aufräumglocke läuten?“ Sie nahm die Stimme, wie unter einer Glasglocke wahr. Es drang etwas an ihr Ohr, es erreichte sie aber nicht. Mühsam nickte sie mit dem Kopf. Das Kind deutete es als Bestätigung und läutete das kleine Glöckchen. Die Kinder kannten das vertraute Signal und räumten ihre Plätze auf. Dann schauten sie Frau Edelweiß verständnislos an, da keine Reaktion kam, beschlossen sie einfach zu gehen. Nachdem es im Klassenzimmer wieder ruhig geworden war, saß sie immer noch steif auf ihrem Platz. Dann durchzuckte es sie. „Fort, ich muss fort von hier.“ Sie ließ ihre Schultasche einfach stehen und liegen. Sie räumte ihren Platz nicht auf. Sie wusch nicht die Tafel ab. Nein, alles ließ sie stehen und liegen. Sie vergaß sogar, sich den Mantel überzuziehen. Sie hielt den Schulschlüssel immer noch verkrampft in ihrer Hand. Dort hatten sich die Formen der Schlüssel tief in ihre Haut eingedrückt. So wie sie war, ging sie raus. Wie ein Roboter bewegten sich ihre Füße, trugen sie die vielen Treppen nach unten. Dann durchquerte sie den Schulhof, stieg in ihr Auto und fuhr nach Hause. Gott sei Dank, war nicht viel Verkehr auf der Straße. Die drei Ampeln bis zur Bundesstraße waren grün und sie gelangte in 10 Minuten nach Hause. Sie wohnte in einem kleinen Dorf nahe Kehl. Dort war die Welt noch in Ordnung. Irgendwo musste sie noch in Ordnung sein. Sie vergaß das Auto abzuschließen, öffnete die Tür und legte sich mit Schuhen ins Bett. Ihre Kinder fanden sie. Sie gingen beide in Offenburg zur Schule und fuhren mit dem Bus nach Hause. Sie riefen ihren Papa an. „Du, Mama liegt im Bett und sie sagt nichts“. „Hat sie die Augen zu, atmet sie noch?“ „Sie starrt in die Luft, die Augen sind auf, aber sie reagiert nicht.“ Die Tochter fing an zu heulen. „Papa komm bitte, da stimmt was nicht“. 15 Minuten später war Herr Edelweiß da. Besorgt ging er in ihr Zimmer. Er schüttelte sie, dann gab er ihr sogar Ohrfeigen, er nahm sie in den Arm und drückte sie ganz fest. Da endlich löste sich der Knoten und Frau Edelweiß fing an zu schluchzen. Sie schluchzte unentwegt und erst nachdem der Schock mit den Tränen ihren Körper zu verlassen schien, konnte sie ihm von Radeck erzählen.
8
Frau Hübchen von der Kernzeitbetreuung fuhr sich durch ihr raspelkurzes Haar. Dies tat sie immer, wenn sie sich aufregte. Nie schenkte man ihr und der Betreuung die Beachtung, die sie sich wünschte. Die junge attraktive Frau kümmerte sich um die vierten Klassen und war zuständig für die Räumlichkeiten im Obergeschoss der Schule. Obwohl sie alle unter einem Dach arbeiteten und die gleichen Schüler versorgten, kam es ihr manchmal vor, als lebten sie in zwei verschiedenen Welten. Der Hausmeister sollte sich um sie genauso kümmern, wie um die Angelegenheiten der Schule. Wie oft hatte sie sich schon über den muffigen Flur beschwert. War es so schwer ein bisschen Farbe anzubringen oder einen neuen Boden zu verlegen? Seit langem hatte sie den Verdacht, dass sich in den Dachschrägen und den Kammern darunter Mäuse aufhielten. Sie fand sogar ein entsprechendes Mauseloch. Die Reaktion des Hausmeisters? Jetzt müsse er erst einmal den Dreck der Demonstranten
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