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Frau Holle ist tot

Frau Holle ist tot

Titel: Frau Holle ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Stark
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habe. Natürlich erahnte er den
Zwist zwischen polizeilichem Ermittler und Staatsanwalt. Auf die Idee wäre
jeder Schülerzeitungsredakteur gekommen, und Baumann war ein alter Hase.
    »Das Klima bei Ihnen scheint ja nicht das beste zu
sein. Hat das mit Ihrem offenen Brief an die Polizeiführung zu tun?«, fragte er
neugierig.
    Mayfeld ignorierte die Frage. Baumann schuldete ihm
noch einen Gefallen.
    Er bat ihn, seinen Bericht so zu formulieren, dass
möglichst auch zwischen den Zeilen niemand in ein verdächtiges Licht gerückt
würde.
    Baumann sagte das zu.
    ***
    Nachdem Fromm verschwunden war, hatte er seinen
Rucksack gepackt: Zwei Flaschen Hollersaft, Nussbrot, Presskopf. Nicht von ihm
gemacht, sondern vom Metzger. Das Fernglas und das Nachtsichtgerät, eine
Taschenlampe, Unterwäsche und eine Zahnbürste. Alles andere hatte er in der
Mapper Schanze.
    Marie wollte nicht mitkommen. »Ich mag keine Leute,
die andere verprügeln«, sagte die Königstochter. Das hatte Frau Holle auch
einmal gesagt. Damals war er ziemlich wütend geworden.
    »Warum darf’s der junge Drechsler und ich nicht?«,
fragte er.
    »Ich raff kein Wort«, meinte sie.
    Basti konnte es ihr erklären: »Es heißt doch: Hat dir
jemand etwas zuleid getan, so sprich nur ›Knüppel, aus dem Sack‹, so springt
dir der Knüppel heraus unter die Leute und tanzt ihnen so lustig auf dem Rücken
herum, dass sie sich acht Tage lang nicht regen und bewegen können; und eher
lässt er nicht ab, als bis du sagst ›Knüppel, in den Sack‹.«
    »Das ist bloß ein Märchen«, sagte Marie, und so etwas
Ähnliches hatte Frau Holle damals auch gesagt. Sie hatte sogar gemeint, er
übertreibe es mit den Märchen, und sie wolle ihm deswegen keine mehr erzählen.
    Das hatte er nicht kapiert, und er kapierte es immer
noch nicht. Mama hatte oft gesagt, dass man nicht lügen darf. Und wenn etwas
nicht gelogen war, dann war es die Wahrheit. Und die Frau Holle hatte ihm die
Märchen erzählt und war bestimmt keine Lügnerin. Also waren die Märchen die
Wahrheit. Aber er glaubte nicht, dass Marie das verstehen würde.
    »Du hast versprochen, dass du mitkommst«, sagte er.
»Versprochen und nicht gebrochen!«
    »Ich hab nur versprochen, dass ich nicht abhaue,
nicht, dass ich überallhin mitkomme«, sagte sie.
    Basti ballte die Fäuste. »Wer dir geholfen hat, als du
in der Not warst, den sollst du hernach nicht verachten«, schrie er sie an.
    Jetzt hatte sie es verstanden. Sie packte ihre Sachen.
    Ein paar Minuten später saßen sie zusammen auf dem
Quad. Er fuhr hoch auf den Rheinhöhenweg und dort bis zur Mapper Schanze. Das
Innere des Turms hatte er im Sommer eingerichtet, und bislang hatte es noch
niemand herausgefunden. Tagsüber musste man wegen der Wanderer ein bisschen
aufpassen, aber tagsüber war Basti sowieso unterwegs, und abends und nachts
hatte man seine Ruhe.
    Er fuhr mit dem Quad zum Torbogen der Schanze. »Jetzt
machen wir es uns gemütlich«, sagte er zu seiner Beifahrerin. Er würde gern
noch mal ihre Sommersprossen zählen.
    »Geh du vor«, sagte er, und Marie ging voraus. Er half
ihr, die Büsche beiseitezuschieben, die an der Mauer der Schanze wuchsen,
öffnete das Vorhängeschloss und stieß die Tür auf.
    »Darauf gingen sie tiefer in den Wald hinein, und
mitten drein, wo er am dunkelsten war, fanden sie ein kleines verwünschtes
Häuschen, das leer stand. Da sprachen sie: ›Hier wollen wir wohnen.‹«, sagte er
und knipste die Taschenlampe an.
    »Aha«, sagte Marie.
    »Gefällt’s dir?«
    »Na ja.«
    »Etwas Besseres als den Tod findest du überall«, sagte
Basti.
    Marie schaute ziemlich erschrocken. Dabei war alles
da: eine Vorratskiste, in der Knäckebrot und Dosen mit Hausmacher Wurst
verstaut waren, ein Wasserkanister, ein kleiner Gaskocher und Geschirr; eine
Gaslampe, eine Matratze, zwei Schlafsäcke und Wolldecken. Er zündete die
Gaslampe an. Die Spinnen waren schnell verscheucht.
    Marie schaute, als ob das keine Unterkunft für eine
Königstochter wäre. Aber vielleicht war sie auch gar keine.
    Meine Frau die Ilsebill will nicht
so wie ich wohl will .
    »Jetzt wird erst mal was gefuttert«, sagte er.
»Tischlein, deck dich!« In einer Ecke standen ein kleiner Klapptisch und zwei
Schemel. Als nichts passierte, räumte er die Einmachgläser mit den Tieren, den
Fröschen und Kröten, der Hasenpfote und dem kleinen Wiedehopf zur Seite und
tischte auf, was er hatte: Nussbrot, Hollersaft, Presskopf.
    »Ist lecker, oder?«, fragte er, als sie

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