Frau Holle ist tot
zurück zur Schanze.
»Vergiss nicht guten Morgen zu sagen und guck nicht
erst in alle Ecken herum«, sagte er zu sich, als er die Tür aufschloss.
Marie schlief noch. Er räumte seinen Schlafsack weg
und machte Frühstück. Hollersaft, Nussbrot, Presskopf.
»Guten Morgen«, sagte er laut und vernehmlich, als er
alles vorbereitet hatte.
Marie war noch blasser als am Abend zuvor und hatte
schon wieder keinen Appetit. Basti musste an das kranke Vögelchen denken, das
er einst im Wald aufgelesen hatte. Das hatte auch nichts mehr essen wollen und
war dann gestorben.
Sie setzte sich an den Klapptisch, wo er das Frühstück
hingestellt hatte, trank aber bloß ein paar Schlucke Hollersaft.
»Ich muss noch mal ins Rüdesheimer Krankenhaus«, sagte
sie dann mit großer Bestimmtheit.
Das hatte er befürchtet. »Bist du krank«?«, fragte er
besorgt.
Marie nickte traurig.
»Ei gut«, sagte Basti. »Ich fahr dich.«
Wenn man krank war, musste man ins Krankenhaus. Es war
wie bei Mama. Da konnte man nichts machen.
***
In der Morgenbesprechung des K10 gab es keine
neuen Informationen über Sebastian Fromms und Marie Lachners Aufenthalt.
»Was hat die Spurensicherung im Haus der Fromms
gefunden?«, fragte Mayfeld.
Adler blätterte in seinen Papieren. »Wir haben eine
Nachtschicht eingelegt. Die DNA -Proben sind noch
im Labor, die Ergebnisse liegen spätestens morgen früh vor. Wir haben
Fingerabdrücke von zwei Personen am Essgeschirr in der Küche gefunden. Die
Abdrücke der einen Person haben wir auch sonst überall im Haus der Fromms
gefunden, und sie finden sich auch in der Praxis von Holler, und zwar an der
Hintertür, an dem aufgebauten Spielzeug, am Sofa, am Telefon und im Baumhaus.
Die Fingerabdrücke der anderen Person passen zu denen auf der Haarbürste, die
uns die Lachners gestern zur Verfügung gestellt haben.«
»Das heißt, Sebastian Fromm war der Mann im Baumhaus,
und er war auch in der Praxis von Holler«, fasste Burkhard zusammen. »Und Marie
Lachner ist in seiner Gewalt.«
»Marie war im Haus der Fromms«, korrigierte ihn
Mayfeld. »Ob sie sich in seiner Gewalt befindet, wissen wir nicht. Sie kann
auch freiwillig dort gewesen sein. Vielleicht ist sie einfach von zu Hause
abgehauen.«
»Mit einem Verrückten.« Burkhard schüttelte
verständnislos den Kopf. »Natürlich ist das theoretisch möglich. Natürlich ist
es theoretisch auch möglich, dass Fromm nur zufällig im Baumhaus und der Praxis
war und mit dem Mord an seiner Tante nichts zu tun hat. Aber seit wann glaubst
ausgerechnet du an Zufälle, Robert?«
Burkhard hatte recht. Es waren zu viele Zufälle. All
diese Dinge mussten irgendwie zusammenhängen. Aber wie?
»Es war doch Ihre Idee, Mayfeld, nach Zusammenhängen
zwischen dem Mord an Dr. Holler und auffälligen Ereignissen unter
Jugendlichen zu suchen«, warf Lackauf ein. »Das war mal kein schlechter Einfall
von Ihnen. Jetzt haben Sie einen Zusammenhang gefunden und sträuben sich, die
notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Man wird aus Ihnen nicht klug.«
»Vielleicht werden Sie ja noch klug, Herr
Staatsanwalt«, antwortete Mayfeld. »Ich meine, klug aus mir. Es geht mir
lediglich darum, voreilige Schlussfolgerungen und Festlegungen zu vermeiden!«
Lackauf schnaubte wütend.
»Was hast du sonst noch, Horst?«, fuhr Mayfeld fort.
»Maries Fingerabdrücke haben wir auf dem Geschirr in
der Küche, auf der Wodkaflasche und auf dem Fotoausdruck gefunden. Auf dem Foto
und der Flasche habe ich außerdem noch weitere, uns unbekannte Fingerabdrücke
gefunden.«
»Was denn für ein Foto?«, fragte Burkhard.
»Zwei Autos auf einem Waldweg, mit Datum der Aufnahme
am unteren Rand. Bei dem vorderen Auto konnte ich einen Teil des Kfz-Kennzeichens
identifizieren. Wir gleichen das mit der Liste von der Rüdesheimer
Zulassungsstelle ab.« Adler reichte Burkhard eine Kopie über den Tisch. »Es
gibt noch ein interessantes Ergebnis«, fuhr er fort. »Wir haben den Inhalt der
Wodkaflasche analysiert. Es war noch ein kleiner Rest Wodka drin. Und in dem
Wodka war eine große Menge Rohypnol gelöst.«
»Die klassische rape drug «,
bemerkte Burkhard.
»Damit hat Fromm Marie Lachner gefügig gemacht«,
vermutete Lackauf, und bei ihm klang es wie eine Feststellung. »Das könnte auch
erklären, warum sie ihm quasi willenlos überallhin folgt.«
»Ich glaube nicht, dass man als Sozius auf einem Quad
davonfahren kann, wenn man allzu viel davon intus hat«, widersprach Mayfeld.
»Mir ist auch nicht
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