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Frau Holle ist tot

Frau Holle ist tot

Titel: Frau Holle ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Stark
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Schuppen ist leer, das Quad ist weg. Sebastian
ist geflüchtet«, sagte Georg Fromm, als die beiden Beamten wieder nach draußen
kamen.
    »Schuppen?«, fragte Winkler.
    »Da vorne ist ein großer Holzschuppen, da hat
Sebastian ein Quad stehen.«
    Georg Fromm deutete in den Wald hinein.
    »Er ist mit einem Quad weggefahren?«, fragte Mayfeld.
    »Womit sonst?«, fragte Fromm zurück. »Er kam zusammen
mit dem Mädchen auf dem Quad und hat das Fahrzeug im Schuppen abgestellt. Das
habe ich gesehen. Jetzt steht es nicht mehr dort. Der Vogel ist ausgeflogen.«
    »So was wie ein Quad kann Ihr Sohn also fahren?«
    »Offensichtlich.«
    »Nicht schlecht für einen geistig Behinderten.«
    »Wollen Sie ihn auch noch in Schutz nehmen?«, fragte
Fromm giftig.
    Mayfeld wollte antworten, dass das damit gar nichts zu
tun habe, aber dann ließ er es. »Wir schauen uns die Zimmer noch einmal genauer
an. Bleiben Sie hier draußen.«
    Als Fromm protestieren wollte, schnitt er ihm das Wort
ab.
    »Das ist eine polizeiliche Anordnung. Wir müssen
Spuren sichern, und dies ist nicht Ihr Zuhause.«
    Winkler und Mayfeld gingen zurück ins Haus. Ein Zimmer
im Erdgeschoss hatte ihre besondere Aufmerksamkeit auf sich gezogen.
    An der Tür hing ein aus Ton gebranntes Schild, auf dem
in krakeliger Schrift »Basti« geschrieben stand. Dahinter befand sich ein
skurriles Refugium, das vom matten Licht einer Ökolampe erhellt wurde: ein
Bett, ein Schreibtisch, Regale an zwei Wänden. Die freie Wand war mit akribisch
genauen Zeichnungen übersät, mit Porträts von Insekten, Vögeln, Tierkadavern,
mit Ansichten von Waldlichtungen, Waldhütten, Ruinen. Eine Turmruine erkannte
Mayfeld als die Mapper Schanze. In den Regalen standen neben Märchen- und
Kochbüchern Einmachgläser mit einer trüben Flüssigkeit, in die kleine
Tierkadaver oder abgetrennte Körperteile von größeren Tieren eingelegt waren.
Eine Hasenpfote und die Pfote eines Hundes konnte Mayfeld identifizieren. Die
meisten Objekte aus den bizarren Einmachgläsern fanden sich als exakte
Zeichnung irgendwo auf der Raufasertapete des Zimmers wieder.
    Zwischen den Zeichnungen waren in einer krakeligen
Schrift Zitate geschrieben, die offensichtlich aus Märchen der Gebrüder Grimm
stammten. Neben der Zeichnung eines Hundekadavers stand: »Der
Wolf ist tot, der Wolf ist tot!« Neben der Zeichnung der Mapper Schanze: »Darauf gingen sie tiefer in den Wald hinein, und mitten
drein, wo er am dunkelsten war, fanden sie ein kleines verwünschtes Häuschen,
das leer stand. Da sprachen sie: ›Hier wollen wir wohnen.‹« Neben der
Zeichnung von Pferdeäpfeln las Mayfeld: »Bricklebrit!«
    Winkler rief Mayfeld zum Bett, das unter einem
vergitterten Fenster stand. Sie hatte sich Latexhandschuhe übergezogen und
hielt ein schwarzes T-Shirt und einen Slip in der einen Hand, in der anderen
eine fast leere Wodkaflasche.
    »Das lag neben dem Wulst hier.« Sie deutete auf eine
zusammengerollte Decke, die das Bett in zwei Hälften teilte. »Die Unterwäsche
dürfte einem Mädchen gehören, die geben wir in die KTU .«
    Mayfeld rollte den Deckenwulst zur Seite. Darunter lag
ein Fotoausdruck. Er griff sich das Blatt und ging unter die Deckenlampe. Das
Foto zeigte einen dunklen Jaguar, der irgendwo in einem Wald eine Schranke
passierte. Das Gesicht des Fahrers war nur mit Mühe zu erkennen, das Autokennzeichen
mit bloßem Auge gar nicht. Dahinter fuhr ein weiterer Wagen, ein BMW der Dreierreihe. Der Fahrer dieses Wagens war
unkenntlich, das Autokennzeichen von dem Wagen zuvor größtenteils verdeckt.
    »Das geht auch in die KTU .
Auch wenn ich nicht die geringste Ahnung habe, wohin uns das führt.«
    »Sieht nach einem überstürzten Aufbruch aus«, bemerkte
Winkler.
    »Weil ein T-Shirt und ein Slip liegen geblieben sind
und das Bett nicht gemacht wurde?« Mayfeld lächelte. »Bei meiner Tochter würde
das als aufgeräumt durchgehen. Marie ist vierzehn. Was ich erstaunlicher finde,
ist, dass die beiden mit einem Quad herumfahren. Zum einen scheint dieser
Sebastian Fromm nicht so behindert zu sein, wie uns sein Vater weismachen will,
zum anderen hätte Marie unter diesen Bedingungen doch die Möglichkeit zur
Flucht. Er kann sie ja schlecht festbinden. Ob sie freiwillig hier ist? Aber
was will sie mit so einem schrägen Vogel?«
    »Ist vielleicht selbst ein schräger Vogel«, antwortete
Winkler.
    Im Flur vor Bastis Zimmer fand Mayfeld dunkle Flecken
auf einem Teppichläufer und an der Tapete, Blut, wie er vermutete.

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