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Frau im Schatten: Eine Familiengeschichte (German Edition)

Frau im Schatten: Eine Familiengeschichte (German Edition)

Titel: Frau im Schatten: Eine Familiengeschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorinde van Oort
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gehörte, gehörte ihr nicht mehr. Wieder wohnte sie zusammen mit einer Familie, wo sie außen vor stand, so wie früherbei Vera und danach bei den Ouds. Ihre Eifersucht auf ihre Nichte Mary wird dabei mitgespielt haben. Und umgekehrt. Wenn Oma Annetje und Lepel zusammen in der Diele gesessen und geplaudert hatten, gab es zwischen meinen Eltern oft Streit.
    »Bin ich hier vielleicht nicht mehr erwünscht?«, herrschte meine Mutter ihn an.
    Lepel muss letztendlich wohl Partei für seine Frau ergriffen haben. Oma Annetje wurde die Außenstehende, Lepel wandte sich gegen sie. Das zumindest nahm ich jetzt an – in Unkenntnis der anderen Faktoren, die möglicherweise sonst noch dabei mitgespielt hatten.
    Unter der Abteilung ›Ann/Vosseveld‹ fand ich jedenfalls in Onkel Henks Ordner eine lange Epistel aus der Zeit, als das so frohgemut begonnene Zusammenwohnen schon hoffnungslos gescheitert war:
     
    Soest, 2.   Jan. 1959
    Guter lieber Henk,
     
    böse? Aber nein, dafür verstehe ich Deine gute Absicht zu gut. Mein erster Impuls war, erst einmal still zu sein, Henk, es ist leider nur schon allzu viel darüber gesprochen worden. Ich meine, dass ich nicht gerade als jemand bekannt bin, der so dumm ist, die Leitung einer jungen Familie übernehmen zu wollen. Dazu habe ich doch zu viel Lebenserfahrung. Alles ist einfach auf die Spitze getrieben und der Umgang so grob, dass ich dieses große Fragezeichen wohl nie mehr loswerde. Solange L + M in Soest wohnten (ca. 5   Jahre), wurden die Kinder ständig zu mir gebracht, beinahe jeden Sonntag aß die Familie bei mir.
    Mary zufolge hatte sie es mehr als satt, diese ewige Töpfchenwirtschaft mit den Kindern, fast jeden Tag brachte sie Jaap morgens zu mir und holte ihn am Nachmittag wieder ab. Angeblich taten sie das alles nur, um mir nach Vaters Tod Ablenkung zuverschaffen, und ich will das gern glauben und dankbar dafür sein   …
    Von 5   Jahren alles aufzulisten, wäre sinnlos, ich will nur ein paar Punkte nennen: Wenn sie ins Konzert gingen und ich bei ihnen die Kinder hütete und manchmal um elf Uhr in Schnee und Regen nach Hause tippelte, habe ich das nie als ein Opfer empfunden.
    Seit sie hier im Haus wohnen, habe ich (das dachte ich jedenfalls) alles so taktvoll wie möglich getan. Aber dass ich mich zu ihnen an den Tisch setze, das muss erst noch geschehen. Ich habe auch kein Bedürfnis danach, habe selber Dinge zu tun und ich bin gern allein. Und mich in irgendwas einmischen? Ich hab mir den Kopf zerbrochen, weiß aber immer noch nicht, was sie damit meinen. Zu allem hab ich geschwiegen, auch wenn Dinge mir wehtaten in unserm geliebten Haus oder Garten. Einmal hab ich gesagt, dass es ein Ende haben muss mit dem Löchergraben im Garten; es waren an die vier, vollgestopft mit allerlei Lappen, Holz und kaputten Blumentöpfen. Ich hab dann selber den ganzen Kram zugeschüttet und den schlimmsten Müll weggeräumt. Das ist meines Wissens das einzige Mal, dass ich mal meine Meinung gesagt habe.
    Natürlich habe ich meine großen Schwächen, aber darum geht es doch offenbar gar nicht. Die Kinder würden zu viel bei mir ein und aus gehen, heißt es jetzt plötzlich. Aber das war doch schon die ganzen Jahre so. Und jetzt haben sie wegen der Hausaufgaben ohnehin kaum noch Zeit.
    Sie kamen schon alle vier gute Nacht sagen, aber höchstens eine Viertelstunde, dann verschwanden sie mit einer Süßigkeit und einem halben Apfel, nur Jaap war öfter hier, besonders bei schlechtem Wetter. Es kann schon sein, dass er zu viel zu mir kam, aber glaub bitte nicht, dass ich ihn extra gelockt habe. Ich fürchte, der Fehler lag schon bei ihnen selber. Das Kind zieht es nun einmal dorthin, wo’s ihm gerade am meisten zusagt.
    Das Ergebnis ist, dass alles sehr grob angepackt wird, den Kindernwird verboten, mich zu besuchen. M + L sagen, dass sie es aus eigenen Stücken nicht mehr tun, aber ich bin doch nicht taub, und ich weiß, dass das einfach nicht wahr ist –
    Was vorgefallen ist, würden wir, denke ich, beide liebend gerne ungeschehen machen, aber – ist ein Wort einmal über die Lippen, kommt es nie wieder rein.
    Eine völlige Trennung, das ist nicht möglich, dafür ist alles finanziell zu sehr ineinander verstrickt. Meinen eigenen Platz allerdings kenne ich jetzt und werde mir auch Respekt zu verschaffen wissen. Das klingt nicht nett, aber es scheint leider nötig zu sein, und die scharfen Ränder werden sich vielleicht doch noch abschleifen   …
    Und jetzt will ich nie wieder

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