Frau Paula Trousseau
wir das riesige Instrument ins Haus bringen konnten.
Da wir einen sonnigen Herbst hatten und auch der nächste Tag stabil zu werden versprach, beschlossen wir, dass Heinrich und Ricki am kommenden Morgen einen Teil des Dachs abdecken, die innere Holzverkleidung abschrauben und die Dachlattung entfernen sollten, während ich versuchen sollte, den Kranwagen der Genossenschaft auf unser Grundstück zu holen. Gut abgepolstert mit Säcken und alten Gardinen wollten wir meinen Erard durch die geöffnete Dachschräge an seinen Platz hieven. Heinrich und Ricki veranschlagten drei bis vier Stunden, um ein ausreichend großes Loch im Dach freizuräumen, und da das Haus zur Nacht wieder eingedeckt sein sollte und sie dafür gewiss mehr als fünf Stunden brauchten, müsste der Kran um zwölf Uhr auf dem Hof stehen.
Nach dem Frühstück begannen die Männer das Dachabzudecken, und ich fuhr in das Büro der Genossenschaft und bat den Chef, uns den Kranwagen für eine Stunde zu überlassen. Er lachte mich aus, sprach über seine Probleme und weigerte sich. Ich blieb einfach in seinem Büro sitzen, bat ihn immer wieder, zerdrückte ein paar Tränen, und nach drei Stunden war er endlich bereit, meine Bitte zu erfüllen. Um ein Uhr kam ich zum Grundstück zurück, hinter mir tuckerte der Kranwagen. Heinrich und Ricki hatten die kleine Kreissäge aus dem Schuppen geholt und sägten bereits die Holzlatten zurecht, mit der die alte Dachlattung wiederhergestellt werden sollte. Die abgenommenen Dachsteine waren säuberlich im Zimmer gestapelt.
Eine Stunde später stand mein Flügel tatsächlich im oberen Zimmer. Er hatte eine Schramme und drei Kratzer abbekommen, aber die würden für Heinrich kein Problem darstellen. Ich gab dem Fahrer des Kranwagens einen Geldschein und versprach, am nächsten Tag bei seinem Chef vorbeizukommen. Dann kochte ich ein Mittagessen, während die beiden Männer die Dachlattung annagelten.
Um acht Uhr abends war das Dach wieder vollständig gedeckt, die gespundeten Bretter der Innenverkleidung wollte Heinrich am nächsten Tag allein anschrauben.
Die beiden baten mich, ihnen etwas vorzuspielen, sie hätten einen Anspruch auf ein kleines Sonderkonzert, ich schlug ein paar Tasten an, doch der Flügel war durch den Transport und die eine Nacht auf dem Lastwagen völlig verstimmt.
Nun hatte unser großer Raum einen wirklichen Mittelpunkt, er hatte eine Seele bekommen. Ein paar Tage lang suchte ich für den Flügel den richtigen Platz, immer wieder schob ich ihn mit Heinrich durch die Etage, bis ich für ihn die richtige und endgültige Stelle gefunden hatte. Er stand frei im Raum, hatte genügend Licht, warvor der Sonne geschützt, von Küche und Bad ausreichend entfernt, und er beherrschte, so wie ich es mir vorgestellt hatte, das riesige Zimmer.
Der Klavierstimmer erschien erst nach zwei Monaten und verbrachte einen halben Tag am Flügel. Heinrich hatte das Instrument wieder auf Hochglanz gebracht, nun war es makellos, das Prachtstück sah aus, wie es an seinem ersten Tag ausgesehen haben musste. Zum ersten Mal setzte ich mich an den Flügel, als ich ganz allein war. Es war so schön, dass mir die Tränen kamen. Ich übte seitdem jeden Tag ein, zwei Stunden, manchmal unterbrach ich sogar meine Arbeit, verließ das Atelier und ging nach oben, um ein kleines Stück zu spielen. Es machte mich bereits glücklich, wenn ich den Flügel nur sah oder um ihn herumlief.
11.
Michael war von dem neuen Haus begeistert, ihm gefiel es, dass sein Kinderzimmer nicht von den anderen Räumen abgetrennt war und er jederzeit Kontakt mit uns haben konnte, und vor allem war er glücklich, mit Heinrich zusammen zu sein. Er hatte aber anfänglich Mühe, sich in der neuen Schule einzuleben, unter den neuen Klassenkameraden litt er. Keiner wolle mit ihm spielen oder auch nur reden, meinte er. Wenn Heinrich oder ich ihn am Morgen in den Nachbarort zur Schule brachten, gab es häufig Tränen. Er tat mir leid, aber nur seinetwegen waren wir aufs Dorf gezogen. Ein kleines Mädchen aus unserem Dorf ging in seine Klasse, und wir ermunterten den kleinen Kerl, ihr nicht ängstlich aus dem Weg zu gehen, und schlugen ihm vor, sie zu uns einzuladen. Er freundete sich tatsächlich nach kurzer Zeit mit ihr an, und damitwar das Eis gebrochen. Nach einigen Wochen gehörte er zur Klasse, als sei er schon immer in diese Dorfschule gegangen, und im Januar erhielt er bereits einen Tadel, weil er durch ungebührliches Verhalten die Klasse zu
Weitere Kostenlose Bücher