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Frau Paula Trousseau

Frau Paula Trousseau

Titel: Frau Paula Trousseau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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Disziplinlosigkeiten angestachelt habe. Michael war über den Tadel empört, und ich war zufrieden, denn der Kleine hatte sich nun eingelebt.
    Mit den Eltern des Mädchens hatten wir vereinbart, unsere Kinder wechselseitig zur Schule zu bringen und abzuholen. Dies sollte uns nicht nur zeitlich entlasten, Heinrich und ich hatten gehofft, durch solche persönlichen Kontakte das Misstrauen und die geringschätzige Distanz der Nachbarn zu durchbrechen. Doch dies gelang uns nie. Wir blieben die Fremden aus der Stadt, die Künstler aus Berlin, die von irgendwelchen merkwürdigen Sachen lebten und nicht wirklich arbeiteten. Wenn wir Hilfe benötigten, zeigte man sich entgegenkommend, doch der Abstand war auch dann überdeutlich, zumal keiner aus dem Dorf uns je um einen Gefallen bat. Es war wohl vor allem das als skandalös geltende Haus, unser offenes, türenloses Stockwerk, das die Dorfgemüter erregte. Die beiden Arbeiter, von denen sich Heinrich beim Ausbau hatte helfen lassen, hatten schon damals ständig anzügliche Bemerkungen losgelassen und sich im Dorf gewiss darüber ausgelassen, wie diese Zugezogenen hausen würden. Den Dörflern boten wir und unser Haus offenbar reichlich Nahrung für schmutzige Fantasien. Mitten im Dorf wohnend, lebten wir wie Eremiten. Ich nahm es hin, es interessierte mich nicht. Ich achtete nur sehr genau darauf, dass niemand Michael zu nahe trat oder ihn beleidigte.
    Heinrich bekam nur noch selten Aufträge von Architekten oder Baufirmen. Nur wenige Wochen im Jahr war er unterwegs, um irgendwo einzuspringen und kleinereBauarbeiten zu koordinieren, und ich war mir sicher, dass er, wenn er es auch energisch bestritt, an diesen Arbeiten, die ihn nötigten, uns und unser Haus zu verlassen, kaum interessiert war. Er baute lieber seine Werkstatt aus in der Hoffnung, als Restaurator arbeiten zu können, um jeden Tag an alten Truhen zu werkeln und kostbare, aber hinfällige Stilmöbel wieder instand zu setzen und ihnen Schliff zu geben. Er hatte sein Gewerbe angemeldet, und wir hatten daraufhin auch einen Telefonanschluss bekommen, zudem hatte er seine früheren Kunden angeschrieben und war in den ersten Monaten nach unserem Umzug häufig mit dem Auto unterwegs, um diese aufzusuchen und sich bei seinen Bekannten nach Aufträgen zu erkundigen. Wenn er zurückkam, war das Auto mit irgendwelchen gebrauchten Werkzeugen beladen, die er billig erworben oder geschenkt bekommen hatte, doch es dauerte ein gutes Jahr, bevor er so etwas wie einen Kundenstamm zusammenhatte, sich die Antiquitäten in seiner Werkstatt stapelten und er von seiner Arbeit leben konnte. Erst nach drei Jahren hatten wir alle Schulden zurückgezahlt.
    Mein Atelier hatte ich mir umgehend so weit eingerichtet, dass ich darin arbeiten konnte. Der Raum war riesig, etwas mehr als siebzig Quadratmeter, und da er, wie in den meisten alten Bauernhäusern üblich, nicht sehr hoch war, verstärkte sich der Eindruck von Größe, obwohl die niedrige Decke und die Querbalken dem Raum etwas Gedrücktes, Bedrückendes gaben. Er besaß sechs Fenster, vier davon waren die originalen kleinen Bauernhausfenster, die Heinrich aufgearbeitet hatte, und an der Nordseite hatte er zwei große einflüglige Fenster eingesetzt, so dass ich das wunderbarste Licht hatte. Außer den tiefen Skizzenschränken, meinem alten Ateliertisch, zwei Staffeleien und drei Stühlen gab es keinerlei Möbel, ich wollte einen großzügigen, freien Raum. Einige meiner Bilder hatte ich,gerahmt und ungerahmt, zwischen die Fenster gehängt, und an die Querbalken heftete ich die Skizzen der Arbeiten, mit denen ich gerade beschäftigt war. Ich besaß nun ein Atelier, wie ich es mir seit der Studienzeit, seit den Kindertagen immer erträumt hatte. Wenn wir morgens Michael in die Schule gebracht hatten, tranken wir noch einen Tee zusammen, und dann verschwand ich bis zum Nachmittag in meinem Arbeitsraum. In diesen Stunden gehörte ich nur mir, und ich genoss dieses Glück Tag für Tag.
    Mittlerweile hatte ich mir einen richtigen Namen bei den Verlagen erworben, und ich konnte jedes Jahr damit rechnen, einen Auftrag für die Illustrationen eines Buches zu bekommen. Hin und wieder wurde ich eingeladen, mich an einer Ausstellung zu beteiligen, aber mir fehlten die nötigen Verbindungen, und so konnte ich nur sehr selten ein paar meiner Arbeiten in einer Galerie präsentieren. Ausstellungen, das war ein schwieriges Geschäft, man musste Beziehungen haben und pflegen, sich mit Galeristen

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