Frau Paula Trousseau
leider. Und ich erinnere mich nur ungern daran. An alles, was mit dir zusammenhängt, Paula. Und das Atelier oben benutze ich seit deiner Zeit nur noch als Rumpelkammer. Ich habe keinerlei gute Erinnerungen an dich, so sieht das aus.«
»Und seitdem hat niemand auf dem Flügel gespielt?«
»Niemand. Ich hasse den Kasten. Vielleicht verkaufe ich ihn oder werfe ihn auf den Müll.«
»Auf den Müll! Es ist ein Erard, Freddy!«
»Das ist mir egal.«
»Ehe du ihn auf den Müll schmeißt, gib ihn mir. Ich würde gern wieder Klavier spielen.«
»Du willst den Flügel kaufen? Kannst du ihn denn bezahlen? Es ist ein Erard, wie du ganz richtig sagtest.«
»Nein, kaufen kann ich ihn nicht, nicht in hundert Jahren. Ich lebe gerade so von meinen Arbeiten. Was ist mit dem Flügel, schenkst du ihn mir?«
»Schenken? Paula lässt sich noch immer alles schenken.«
»Ich könnte ihn dir mit Bildern bezahlen, falls du daran interessiert sein solltest.«
»Bilder von Paula Trousseau für einen Erard, dass ich nicht lache. Hast du überhaupt Platz für ein solches Monstrum? Wo wohnst du denn?«
»Platz hätte ich genug. Ich wohne auf dem Land, in einem alten Bauernhaus. Mich würde der Kasten dort nicht stören, ganz im Gegenteil. Ich würde mich freuen, Freddy. Na, wie ist es? In Erinnerung an alte Zeiten?«
»Bist du darum gekommen? Um mir den Flügel abzuschwatzen?«
»Ich wollte dich einfach nur einmal wiedersehen. Ist das so verwunderlich?«
»Bei dir schon, Madame.«
»Menschen ändern sich, Freddy.«
»Ach was. Und du hast jetzt ein Herz, schöne Frau?«
»Ich habe sogar ein Kind.«
»Das hattest du auch zu meiner Zeit schon, wenn ich mich recht erinnere. Hat dich damals auch nicht weiter gestört.«
»Mein Sohn ist mein Ein und Alles.«
»Das wäre allerdings etwas Neues. Kaum zu glauben, Paula.«
Ich biss die Zähne zusammen. Die Porzellantasse zitterte in meiner Hand, als ich sie vorsichtig aufnahm, um zu trinken, aber ich beherrschte mich und warf sie nicht gegen die Wand. Ich fragte ihn nochmals nach Pariani und Oltenhoff und den anderen aus seiner Runde und erkundigte mich auch nach Tschäkel, doch er antwortete nur einsilbig oder gar nicht. Schließlich sagte ich, ich müsse aufbrechen, dankte ihm, dass er mich empfangen habe, es hätte mich gefreut, ihn wiederzusehen. Er betrachtete mich und schien für einen Moment gerührt. In der Tür fragte ich noch einmal nach dem Flügel. Er versprach, es sich zu überlegen.
»Darf ich dich anrufen?«, fragte ich.
»Kannst du machen«, sagte er.
Zum Abschied küsste er mich auf beide Wangen.
»Wann kann ich dich anrufen? Ich bin zwei Tage in Berlin. Morgen?«
»Paula sieht immer noch zu, wo sie bleibt. Na schön, ruf an, ich lass es mir durch den Kopf gehen. Aber wie ich mich auch entscheide, geschenkt bekommst du ihn nicht«, sagte er.
Am nächsten Vormittag rief ich Waldschmidt an. Er war tatsächlich bereit, mir den Flügel zu überlassen, und wollte lediglich ein Bild dafür haben, ein Bild, das er sich aussuchen werde. Er würde mich besuchen und dann ein Bild mitnehmen. Ich war einverstanden. Das Bild, das ich nie verkaufen, das ich nicht einmal für einen Erard-Flügel eintauschen würde, dieses Bild, wusste ich, würde er ganz gewiss nicht haben wollen. Danach fuhr ich zu Heinrichs Freund Ricki, der den großen Transporter besaß, und konnte ihn überreden, noch am selben Tag den Flügel bei Waldschmidt abzuholen und nach Kietz rauszufahren. Wir trafen uns um fünf vor Waldschmidts Villa, Ricki kam mit drei Männern, die beim Aufladen halfen.
Waldschmidt war nicht zu Hause, seine Freundin öffnete die Tür. Sie wusste, dass ich den Flügel abholen durfte, und nach einer Stunde stand das Instrument gut festgezurrt auf dem Transporter. Ich fuhr mit dem Wagen voraus, Ricki folgte mit dem Flügel.
Heinrich war fassungslos, als ich im Stockdunklen mit dem Prachtstück auftauchte. Er freute sich, Ricki zu sehen, sagte aber, es sei unmöglich, den Flügel ins Haus und in das obere Stockwerk zu bringen, ich hätte zuvor mit ihm reden sollen, er hätte es mir ausgeredet.
»Ich weiß«, sagte ich, »ich wollte dich überraschen, mir aber nichts ausreden lassen.«
Mit Ricki hatte ich vereinbart, dass er bei uns übernachtet. Er stellte den kleinen Lastwagen aufs Grundstück, den Flügel wollten wir erst am nächsten Tag ins Haus tragen, und ich zeigte ihm seinen Schlafplatz in meinem Atelier. Nach dem Abendessen saßen wir am Kamin und diskutierten, wie
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