Frau Paula Trousseau
gutstellen, den richtigen Leuten Gefälligkeiten erweisen und auf jeder Hochzeit tanzen, und ich hatte zu wenige Verbindungen, kannte nicht die entscheidenden Kulturfunktionäre, ich gehörte nicht dazu. Es ärgerte mich, denn ich fühlte mich ausgesperrt, aber ich bedauerte es nicht, ich wollte nur für das Malen leben und keine Kompromisse machen. Zweimal erhielt ich Stipendien für jeweils sechs Monate, das war sehr hilfreich, aber nicht eben viel innerhalb von zehn, zwölf Jahren. Andere Kollegen, die emsiger und entgegenkommender waren, kassierten jedes Jahr Fördermittel und konnten gar nicht verstehen, dass ich mich so ungeschickt anstelle. Meine Freiheit und Unabhängigkeit waren mir diesen Preis wert. An dem Jahrmarkt der Kunst wollte ich mich nicht beteiligen, und so hatte ich mir eine Nische gesucht, in der ich das tunkonnte, was ich wollte, in der ich ungestört und unbeeinflusst die Bilder malen konnte, die mir wichtig waren.
Die Buchillustrationen waren für mich mehr als reine Brotarbeit, ich musste mich dabei nicht verbiegen, die Kompromisse blieben erträglich, zumal man meinen Stil kannte und mir nur dann einen Auftrag erteilte, wenn man wirklich Bilder von mir wollte. Natürlich gab es auch mit den Verlagen Ärger, aber ich achtete darauf, dass es nie zu einem Bruch kam, denn dies hätte ich mir nicht leisten können. Sammler, also Menschen, die regelmäßig in mein Atelier kamen, um sich umzuschauen und ein, zwei Blätter oder gar ein Ölbild zu kaufen, hatte ich nicht. Die Freunde und Bekannten von Jan, die einiges von mir angekauft hatten, verliefen sich mit der Zeit. Sie verschwanden, bald nachdem Jan aus meinem Leben verschwunden war. Jetzt ließen sich nur meine wenigen Bekannten durch das Atelier führen oder die Freunde von Heinrich, aber von denen hatte keiner Geld, sie gingen davon aus, dass ich ihnen meine Blätter schenke. Bei den wenigen Ausstellungen wurde selten etwas verkauft, manchmal nahm ein Galerist einige Arbeiten bei sich auf, doch nach einem halben Jahr konnte ich sie meist vollständig wieder abholen, es hatte sich kein Käufer gefunden.
Außer den Buchillustrationen hatte ich als einigermaßen feste Einnahmequelle nur einen Malzirkel im Nachbardorf, wo ein paar Frauen Zeichnen und Aquarellieren lernen wollten, doch für die zwei Stunden pro Woche bekam ich nur ein paar Mark von der Gemeinde. Und dann gab es noch die beiden Kunstmärkte, die zweimal im Jahr in der Region stattfanden. Zu Pfingsten und kurz vor Weihnachten wurde in der Kreisstadt der sogenannte Loosemarkt abgehalten, der rührige Chef eines Kulturhauses hatte ihn vor Jahren ins Leben gerufen und alle Künstler des Umlandes eingeladen, an drei Tagen ihreArbeiten zu zeigen. Der Markt war von der Bevölkerung angenommen worden, und da nicht nur Kunst geboten wurde, sondern auch die üblichen Jahrmarktsbuden aufgebaut waren und ihr Publikum anzogen, entwickelte sich der Loosemarkt zu einem richtigen Volksfest, bei dem ich in jedem Jahr Bilder verkaufen konnte. Ausschlaggebend beim Verkauf waren die Rahmen, allein und ausschließlich die Rahmen. Beim ersten Mal hatte ich nur gerahmte Blätter verkaufen können, und Heinrich hatte daraufhin für den nächsten Markt die allerschönsten Rahmen für mich gebaut, jeder eine Einzelanfertigung. Sie machten die Blätter zwar teurer, aber die Kunden wollten die Bilder fix und fertig kaufen, um sie gleich aufhängen zu können. Seitdem rahmte ich vor jedem Kunstmarkt vierzehn Tage lang die Blätter, die ich verkaufen wollte. Die Kollegen an den Ständen neben mir begannen bald darauf, ihre Arbeiten ebenfalls gerahmt anzubieten, und wir wurden uns einig, dass wir mehr Geld verdienen könnten, wenn wir nur Bilderrahmen anbieten und auf unsere Zeichnungen und Aquarelle verzichten würden.
Das Leben in Kietz verlief gleichförmig. Heinrich arbeitete in seiner Werkstatt und ich im Atelier, am Nachmittag kümmerten wir uns um Michael. Haushalt und Gemüsegarten zählten zu meinen Aufgaben, Heinrich kochte für uns und war für die Bäume und die Wiese zuständig, zudem gab es fast jeden Tag etwas am Haus zu werkeln. Wenn er zu seinen Kunden fuhr, startete er sehr früh, um am Abend wieder daheim zu sein, und selbst wenn er Freunde besuchte, blieb er nicht über Nacht. Für ihn war es unglaublich wichtig, am Morgen in seinem Haus aufzuwachen und bei uns zu sein, bei seiner Familie, wie er sagte. Einen besseren Vater als Heinrich hätte Michael nicht haben können.
Ich hatte es
Weitere Kostenlose Bücher