Frau Paula Trousseau
mir zur Gewohnheit gemacht, zweimal imMonat mit meinem Auto nach Berlin zu fahren, um bei möglichen Auftraggebern vorbeizuschauen, um Galerien aufzusuchen oder einfach nur in Ausstellungen oder ins Theater zu gehen. Ich übernachtete dann bei Kathi und gelegentlich, wenn mich der Hafer stach, rief ich Heinrich an, erzählte ihm etwas von einem zusätzlichen Termin und blieb zwei Nächte in Berlin. Auf Heinrich konnte ich mich verlassen, er fühlte sich dann ernst genommen, er hat mir jedenfalls nie einen Vorwurf gemacht, wenn ich einen Tag länger als verabredet fortblieb.
Ich musste gelegentlich aus dem Dorf heraus, um nicht zu verbauern, ich brauchte die Abwechslung. Heinrichs Liebe, seine Hilfsbereitschaft und beständige Fürsorglichkeit schnürten mir die Luft ab. Ich spürte, dass mich seine Freundlichkeit aggressiv machte. Er hatte etwas von einem Teddybären, rundlich und gutmütig, wie er war. Auf eine mich nervende Weise war er immerzu gut gelaunt, in all den Jahren, die ich mit ihm zusammen war, hatte er nie einen Wutanfall. Ich konnte machen, was ich wollte, schlimmstenfalls schaute er mich erschreckt an, bemüht, mich zu beruhigen, und versuchte anschließend, alles in Erklärungen aufzulösen. Ich konnte ihn beschimpfen, anschreien, beleidigen, er machte nur große Augen, schaute mich hilflos an und streichelte mit zwei Fingern meine Hand. Hätte er nur einmal geschrien, hätte er nur einmal mit den Türen geknallt und wütend das Haus verlassen, wir wären vielleicht zusammengeblieben. Als er mich einmal todtraurig fragte, was mich an ihm störe, sagte ich ihm, das sind deine Lügen. Er schaute mich fassungslos an und verstand gar nichts.
»Du lügst fortwährend«, sagte ich, »du lügst und lügst und merkst es gar nicht, denn so, wie du tust, so bist du gar nicht. Du machst mir etwas vor, mir und dir. Lass dich gehen, von mir aus, aber verstell dich nicht dauernd.«
»Ich verstelle mich nicht, und ich lüge nicht. Ich begreife nicht, was du willst.«
Er sah mich so überrascht und hilflos an, dass ich es aufgab. Vielleicht war er zu jung oder der falsche Mann für mich. Wenn ich ihn und Michael zusammen spielen sah, hatte ich das Gefühl, zwei Kinder zu haben, aber ich wollte kein weiteres Kind. Als Mann weckte Heinrich in mir Aggressionen. Ich spürte, wie in mir der Wunsch hochkam, ihn zu verletzen. Ich hätte ihn ohrfeigen können, nur um ihn wachzurütteln, aber ich hatte begriffen, dass ich ihn nicht ändern konnte. Er war ein lieber Junge, er war verlässlich, geduldig, aufmerksam, hilfsbereit, aber kein Mann, er war ein verlässlicher Lebensgefährte, aber kein Kerl. Er war geruchlos und neutral. Ich hatte in meinem Leben nicht viel Glück mit Männern, sie haben mich unglücklich gemacht und mehr als nur das, aber vielleicht sind Männer so. Oder es lag an mir, dass mich nur die glücklich machen konnten, die mich am Ende tief unglücklich machen würden. Heinrich gehörte nicht zu diesen Männern, er machte mich nicht unglücklich, aber er hatte mich auch nie glücklich gemacht, und das war zu wenig, als dass ich bereit war, mich damit abzufinden.
12.
In unserem zweiten Jahr in Kietz besuchte uns Kathi. Ich hatte sie mehrmals eingeladen, fast bei jeder Begegnung mit ihr hatte ich davon gesprochen. Sie sollte endlich das Haus kennenlernen, und ich wollte sie mit Heinrich bekannt machen, denn die beiden hatten sich nur einmal flüchtig gesehen. Doch obwohl sie so viel Zeit mit Michael verbracht hatte und beide aneinander hingen, hatte sie immer irgendwelche Ausreden parat. Wenn Schulferienwaren, hatte ich Michael nach Berlin mitgenommen, er war dann den Nachmittag über bei einem Freund, einem früheren Nachbarskind, und am Abend hatten wir zusammen Kathi aus ihrem Warenhaus abgeholt. Michael ließ gar nicht ab von ihr, hing an ihren Lippen und ließ sie nicht einen Augenblick los, und Kathi brachte es fertig, noch spätnachts, wenn wir im Bett lagen, mir von Michael zu erzählen, sie sehnte sich nach einem Kind. Trotzdem war sie nie nach Kietz gekommen, und als sie überraschend ihren Besuch angekündigt hatte, war ich überzeugt, es gebe einen gewichtigen Grund dafür, und ich machte mich auf eine große Beichte gefasst, darauf, dass sie mir etwas Wunderbares erzählen wollte oder etwas sehr Schreckliches.
Michael war selig, als Kathi erschien. Er zeigte ihr das ganze Haus und das Dorf, und am Abend mussten wir mit den Weingläsern in mein Atelier umziehen, weil er oben nicht
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