Frau Paula Trousseau
Arbeiten. Wenn ich Sonntagabend wieder in Berlin war, fiel ich gleich nach dem Abendbrot todmüde ins Bett.
Das Haus wurde nach Heinrichs Entwürfen gestaltet. Er sprach ständig davon, das Haus zu entkernen, und war von seinen Ideen für den Umbau so begeistert, dass ich keinerlei Einwände erhob, obgleich alles ungewöhnlich war und die Hilfsarbeiter aus dem Ort den Kopf über seine Pläne schüttelten.
Im Erdgeschoss sollte es nach seinen Zeichnungen nur noch drei Zimmer geben, einen kleineren Gemeinschaftsraum und zwei große Ateliers, eins für ihn und eins für mich. Im ersten Stock hatte er sämtliche Wände herausgerissen, das gesamte Stockwerk würde ein einziger riesiger Raum sein, es sollte das Wohnzimmer, unsere Schlafnischen, die Küche und das Bad ohne jede trennende Wand vereinen. Für mich war es unvorstellbar, in einem wändelosen Haus zu leben, aber Heinrich sprach von den alten Bauhaus-Ideen, zu deren radikalen Konzeptionen auch eine völlig neue Art des Zusammenlebens gehöre. Er würde nur etwas zu Ende bringen, was Jahrzehnte vor uns ausgedacht, aber nie bis in seine letzte Konsequenzverwirklicht worden war. Ich sagte ihm, dass es mich stören würde, ein unabgeschlossenes, ein unabschließbares Bad zu haben, aber alles, worauf er sich einließ, war eine gesonderte Toilette im Erdgeschoss. Schließlich lachte ich nur noch, wenn er wieder seine Vorstellungen ausbreitete. Ich war bereit, es mit ihm auszuprobieren, und er versicherte mir, notfalls die Wände nachträglich wieder einzuziehen.
10.
Anfang Oktober war das Haus fertig. Ich meldete Michael in der Schule ab, und Mitte Oktober zogen wir innerhalb von zwei Tagen mit unseren gesamten Sachen nach Kietz, Heinrich hatte sich dafür einen Kleintransporter geborgt. In der ersten Nacht in unserem neuen Domizil schlug das Wetter um, ein Sturm entlaubte in wenigen Stunden sämtliche Bäume, und am nächsten Morgen waren der Hof zwischen Wohnhaus, Stallung und Scheune sowie die angrenzende Wiese mit vergilbten, schmutzigen Blättern über und über bedeckt. Beim Zusammenkehren der Blätter rutschte ich auf dem nassen Laub aus und verstauchte mir einen Knöchel. Eine Woche lang humpelte ich durch das Haus. Es war für mich ein schlechtes Zeichen, ich fragte mich, ob es richtig war, Berlin aufzugeben, um in einem Dorf zu leben. Mich überkamen kleine Panikattacken, und ich war tagelang unwirsch, obwohl Heinrich sein Bestes gegeben und eine kleine Prachtvilla für uns aufgebaut hatte. Die Heizung funktionierte wunderbar, ich besaß ein eigenes Atelier, hell und groß und mit dem richtigen Nordlicht, und die obere Etage war großzügig und geradezu elegant.
Eine Woche nach unserem Umzug badeten wir dreierstmals nacheinander in der freistehenden Wanne im ersten Stock, und es wurde zu einem vergnüglichen Fest. Einer saß im warmen Wasser, die anderen in den Sesseln des Wohntrakts, aßen und tranken etwas, man konnte sich miteinander unterhalten, keiner war ausgeschlossen. An diesem Abend war ich zum ersten Mal rundum zufrieden mit dem Haus. Es konnte meine Wohnung werden, ich begann, mich heimisch zu fühlen. Als ich aus der Wanne stieg, wickelte ich mich in mein Handtuch, ging zu Heinrich, küsste ihn und sagte fast feierlich: »Das hast du wundervoll gemacht, mein großer Baumeister.«
Er strahlte und sah Michael an.
»Aber irgendetwas fehlt«, fuhr ich fort, »irgendetwas braucht der Raum noch. Er hat noch keinen Mittelpunkt, oder besser, jetzt ist die Badewanne der Mittelpunkt, und das ist ein bisschen albern, oder?«
»Was meinst du? Wollen wir deine Bilder aufhängen?«
»Nein, das meine ich nicht. Mir gefällt es, dass in diesem Raum keine Bilder hängen, jedenfalls keine von mir. Nein, irgendein schöner Schrank oder eine Truhe vielleicht.«
»Kein Problem, Paula. Sag, was du willst, mir werden schließlich dauernd irgendwelche Antiquitäten angeboten.«
»Nur nichts überstürzen, Heinrich, ich bin mir noch nicht sicher.«
Am nächsten Morgen wusste ich, was in dem Raum fehlt. Ich fuhr zum Postamt, rief Waldschmidt an und fragte, ob ich ihn besuchen könne. Er war merklich verblüfft und sagte, es sei ihm egal.
»Wie wäre es mit morgen? Morgen Nachmittag?«
»Was gibt es denn so Dringendes?«
»Ich möchte dich sehen und mit dir reden, Freddy. Das ist alles. – Ist es dir morgen recht?«
»Gut. Komm um vier«, sagte er nach einer langen Pause und legte den Hörer auf.
Ich erklärte Heinrich, dass ich am nächsten Tag nach Berlin
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