Frau Schick macht blau
bildet sie sich ein. Der Keller ist seit Jahrzehnten nicht mehr die Waschküche, in der sie als Kind hausen und Schnaps in Einmachgläsern bunkern musste.
Vorsichtig schnuppert sie noch einmal. Könnte nasser Putzlappenduft sein. Ihre Haushälterin stellt ihre diversen Eimer samt Wischmopp und Reinigungsmitteln gern auf der Kellertreppe ab.
Oder ist das etwa Modergeruch? Von Freda?
Au! Über den Schock hat sie das glimmende Sträußchen glatt vergessen, es brennt bereits lichterloh. Sie schleudert es in Richtung Kellertreppe, wirft das Feuerzeug gleich hinterher. Scheppernd schlägt es zwischen irgendwelchen Metallbüchsen auf. Egal. Frau Schick kneift die Augen fest zu. Was muss sie noch mal sagen?
In ihrem Kopf beginnt es zu flüstern. Wunderbar, die Schemutat souffliert. Frau Schick spricht stockend nach:
Salbeikraut und Löwenwahn
befreit das Haus vom Geisterzahn.
»Nein, andersrum!«, schilt Schuster Popesch. Löwenzahn befreit vom Geisterwahn. Na ja, große Dichtung geht anders. Trotzdem. Weiter geht’s.
Beifuß, Rosmarin und Pimpinelle,
helft dabei und macht es schnelle,
Thymian, du Teufelsdreck …
Auch Quatsch. Noch mal.
Thymian, du Teufelsschreck,
nimm das Böse von hier weg.
Lavendelzweiglein, duftend fein …
Herrje, wofür war noch mal Lavendel gut? Außer als Badezusatz? Frau Schick reißt die Augen auf. Hat sie glatt vergessen. Nein, doch nicht.
Lavendelzweiglein, duftend fein,
lass das Gute zu uns ein,
lass die Engel zu uns kommen,
dann haben wir gewonnen.
Jetzt noch drei Besenstriche in jede Himmelsrichtung. Sie schnappt nach dem Besen und beginnt rasch zu kehren. Dreimal links, dreimal rechts, einmal umdrehen und nach vorn. Geschafft. Der Besen fliegt in den Keller. Scheppernd kippen auf der Treppe ein paar Eimer um. Wird Freda eben von Putzeimern erschlagen, Hauptsache, sie verschwindet. Wumms, Tür zu und drei Kreuze schlagen.
Ob das Kreuzschlagen wirklich dazugehört, weiß Frau Schick nicht. Die olle Schemutat hat ständig Kreuze geschlagen. Bei Gewitter sogar über dem Hefeteig, damit er aufgeht.
»Schaden wird’s nuscht, min Röschen, und den Deiwel tut’s ärjern«, versichert die Schemutat in ihrem Kopf.
Genau.
Und was passiert jetzt?
Nichts.
Oder doch: Regen rauscht auf, schlägt mit wütendem Prasseln und Trommeln gegen Tür und Fensterscheiben.
Und das soll alles gewesen sein?
Nein, denn jetzt klingelt, bimmelt und schellt es mit einem Mal zeitgleich Sturm an der Haustür, auf dem Festnetztelefon und in Frau Schicks Kimono. Der Kimono klingt am schönsten, weil er Mozarts Arie vom Vogelfänger Papageno trillert.
Frau Schick reißt ihr flötendes Handy aus der Kimonotasche. »Hallo? … Grundgütiger! Herr Herberger! Sie schickt der Himmel. Wann kommen Sie endlich aus Tahiti zurück? … Sie sind nicht mehr auf Tahiti? … Bei mir um die Ecke … Ja, ich weiß, wo Nelly sein könnte. Moment, bleiben Sie dran, mein anderes Telefon klingelt auch.«
Frau Schick eilt geschäftig zum Garderobentisch, legt das Handy in die Linke, reißt mit der Rechten den Hörer von der Festnetzstation. Hach, ist das herrlich, endlich wieder Leben in der Bude, sie bräuchte glatt eine telefonische Warteschleife.
»Hallo, hier Rosalinde Schick? … Guten Abend, Bettina … Nein, mit Glöckchen habe ich nicht gebimmelt, aber mit Schuster Popeschs Pimpinelle und einem Engelsspruch von der Schemutat hat’s geklappt! Und wie. Raten Sie mal, wer aus Tahiti zurück ist. Herberger! … Ja, das ist wirklich fantastisch, jetzt können wir alle heiraten und zusammen den Esel befreien. Ich muss Schluss machen, an der Tür schellt es auch. Mal sehen, wer das ist.«
Frau Schick summt den Papageno und legt beschwingt den Hörer auf, kommandiert kurz: »Bleiben Sie dran, Herberger, wir haben zu tun«, ins Zauberflötenhandy und reißt die Haustür auf.
Ach nein, der wieder, und da heißt es, aller guten Dinge wären drei.
»Sie sollen endlich verschwinden, Sie Weihnachtsmann!«, faucht Frau Schick. »Ich hab hier jemanden am Apparat, der Ihnen was auf die Bommelmütze gibt, wenn Sie nicht abhauen! Wagen Sie es ja nicht, reinzukommen!« Sie hält dem triefregennassen Zauselbart das Handy vors Gesicht.
»Hallo!«, schreit es aus dem Hörer und dann: »Frau Schick, was ist bei Ihnen los? Frau Schick? Ich bin in fünf Minuten da!«
Ja, das ist ihr Herberger! Triumphierend gleitet Frau Schicks Blick vom Weihnachtsmann zu einem sehr feuchten Stalin und weiter zu …
»Das gibt es doch gar nicht!«,
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