Frau Schick macht blau
Travellers machen schon einen Soundcheck. Der Gitarrist braucht ja immer ein Weilchen zum Stimmen.«
»Mmpfest«, kämpft Frau Schick am atemberaubenden Prachtbusen um Gehör und Worte.
»Eine Gartenführung und ein Fest?«, wettert der erboste Detlev. »Ich habe diesem Unkrautzüchter weder das eine noch das andere genehmigt.«
»Ich wüsste auch nicht, mit welchem Recht.« Die Walküre presst Frau Schick unvermindert fest an sich. »Du Hasenfuß hast den Vereinsvorsitz doch niedergelegt, als der erste Bagger angerollt ist und sämtliche Pächter animiert, dasselbe zu tun. Jetzt hat Herr Engels das alleinige Kommando.«
Das wüsste ich aber, empört sich Frau Schick, ist allerdings so sehr damit beschäftigt, einen Chiffonschalzipfel und Kettenperlen aus ihrer Nase zu schnauben, dass sie auf eine dringend fällige Erklärung zum Regierungswechsel verzichten muss.
Detlev kommt ihr zuvor. »Die Zeiten von Anarchie und Chaotendiktatur sind vorüber. Ich nehme mein Amt als Vereinsvorsitzender unter den geänderten Bedingungen selbstverständlich wieder auf und verweise auf Paragraph zwölf, Absatz drei unserer Satzung: Das Betreten und Besichtigen der Gärten und Lauben ist ohne Zustimmung des jeweiligen Pächters und der Vereinsführung nicht erlaubt.«
Der Paragraph findet Frau Schicks spontanen Beifall, zumindest wenn es sich um ihre Laube handelt und sie die Vereinsführung innehat. Was ja wohl selbstverständlich ist.
»Um deinen Garten machen wir gern einen Bogen, da gibt es nichts Interessantes zu gucken.« Frau Pracht wirbelt zu Detlev herum und gibt Frau Schick so unvermittelt frei, dass die nach hinten taumelt.
Sie sucht Halt an ihrer Küchenzeile und erhascht schwer keuchend einen Blick auf einen Rentner von Napoleonstatur. Er trägt eine grüne Latzhose mit Bügelfalte, geputzte Gummistiefel und eine runde Brille. Auf den ersten Blick erinnert er sie an Pöhlwitzens Schuster Popesch in Sonntagsstaat. Nur diese Feldherrnmiene, die jedes Rasen-betreten-verboten-Schild erübrigt, passt gar nicht, genauso wenig wie Detlevs Kommandoton.
»Frau Schick! Sie kommen mit mir«, bestimmt er. »Gartenführungen obliegen allein dem Vereinsvorsitzenden, also mir. Und Sie, Frau Pracht, möchte ich daran erinnern, dass wir uns unlängst wieder auf ein Sie und Herr Töller geeinigt haben.«
»Dürfte … ich … jetzt … auch mal …«, bemüht sich Frau Schick, noch immer nach Luft ringend, um Mitspracherecht.
Vergeblich.
»Machen Sie Platz, Frau Pracht!«, herrscht Detlev Töller die Walküre an und tritt unter Missachtung des Besuchsparagraphen über die Schwelle.
Langsam wird es eng, ärgert sich Frau Schick. Sie versucht, sich am Rücken von Walküre Pracht vorbei nach draußen zu stehlen, aber da ist kein Durchkommen, zumal die Walküre beide Arme als Schranken gebraucht.
Japsend angelt Frau Schick am Gesäß von Frau Pracht vorbei nach ihrer Reitgerte. Dieser Besuch artet ja zur Geiselnahme aus!
»Beachten Sie ihn gar nicht«, raunt die Walküre über die Schulter in Frau Schicks Richtung und drängt sie vom Tisch wieder in die Küchenzeile ab. »Detlev ist nur eifersüchtig auf Herrn Engels und meine sehr blühfreudige Clytemnestra gigantea . Seine zickige Carolin Reiber mickert nämlich vor sich hin und riecht nach rein gar nichts.«
Frau Schick wagt einen erneuten Ausfall in Richtung Reitgerte und schafft es fast bis zum Tisch. Jetzt muss sie nur noch ihren rechten Arm weit vorstrecken, um die Gerte zu erreichen.
»Meine Rose mickert keineswegs«, zürnt Detlev, » Carolin Reiber ist eine speziell geruchsfreie Züchtung! Du hast sie mir doch selbst empfohlen, weil ich Allergiker bin.«
»Da wusste ich ja auch noch nicht, was für ein Stinkstiefel du bist.«
»Ich bin kein Stinkstiefel! Aber dein Herr Engels ist einer. Dank seiner Tipps riecht es bei dir mittlerweile ständig nach Brennnesseljauche.«
Frau Schick versucht, unauffällig die noch fehlenden Zentimeter zu ihrer Gerte zu überbrücken.
»Die Jauche braucht Herr Engels für seine Tomaten. Clytemnestra dünge ich nach seinen Anweisungen mit schwarzem Tee, Bananenschalen und Pferdemist«, empört sich Frau Pracht. »Das solltest du auch mal probieren. Herr Engels ist immerhin Professor.«
Wie bitte?
Völlig verblüfft zieht Frau Schick ihren Arm zurück. »Herr Engels ist tatsächlich Professor ?«, will sie starr vor Staunen wissen. Darum also hat sie gestern Nacht an Einstein gedacht! Professor Engels. Das klingt nicht einmal
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