Frau Schick macht blau
Geschmack. Belebt ungemein, genau wie das geschäftige Treiben rings um sie. Sie sitzt in der Tischnische unter den Kalenderalpen, sinniert über ihr gestriges Tête-à-Tête mit Herrn Engels und schaut Popesch und anderen Koloniebewohnern beim Möbelrücken zu. Sie schieben in der Mitte des Saals Tische und Stühle für eine Konferenzrunde zusammen, die der Professor anberaumt hat. Frau Pracht und Nelly eilen mit Geschirr herbei und decken zum Frühstück auf.
Becky und Blogger sind an der Theke in einen Laptop vertieft, machen sich eifrig Notizen, streichen andere und debattieren über Wechselkröten, Juchtenkäfer und Mopsfledermäuse.
Ganz erstaunlich, was die Jugend heute alles über Tiere weiß, freut sich Frau Schick. Von vielen hat sie noch nie etwas gehört, und die meisten davon findet sie – ehrlich gesagt – auch unappetitlich, aber laut Blogger können sie zur Rettung ihrer Kolonie beitragen, und von der ollen Schemutat hat sie nicht umsonst gelernt, dass »unser Herrjott sich bei jedem Geschöpf was bei jedacht haben muss«.
Außer bei Pottkämper, da muss Gottes Widerpart Luzifer oder eine überforderte Aushilfe die Hände im Spiel gehabt haben, setzt sie grimmig hinzu.
Kurzfristig keimt an der Theke ein Disput über Waschbären auf, die Becky »süüüüüß« findet, Blogger aber als »eingeschleppte Landplage« abtut, woraufhin Becky in Verhandlungen über Feldhamster eintritt.
»Wir brauchen was Pelziges mit großen Kulleraugen«, verlangt sie, macht zu Demonstrationszwecken selbst welche und zoomt auf dem Bildschirm einen Hamster groß, der in einem Kornfeld Männchen und dicke Backen macht.
Frau Schick kramt ihre Brille raus. Becky hat recht. Der ist tatsächlich hinreißend.
»Mit Feldhamstern wären wir unschlagbar«, ereifert sich Becky. »Die sind als Kampagnenlogo hundertmal fotogener als Sumpfkröten oder deine komischen Ekel-Käfer, die auf Bäumen wohnen.«
»Diese Ekelkäfer haben in Frankreich sechs Jahre lang einen Autobahnbau verhindert«, kontert Blogger hitzig. »Sie sind extrem selten, und wenn es dich beruhigt, sie scheiden einen angenehmen Aprikosengeruch aus und verlassen ihre Baumhöhlen höchst selten. Ich schlafe in meiner Ulme seit Wochen ungestört direkt neben einer.«
»Als Logo für massentaugliche PR sind schwarze Riesenkäfer total daneben«, winkt Becky ab. »Ein Hamster ist besser und darunter ein Spruch wie ›Wir retten den Waldfrieden‹. Eine gute Werbeagentur strickt uns daraus einen Knaller. Wir können die Hamster auch auf Tassen oder Mauspads drucken, in Fußgängerzonen als Plüschtiere verteilen und ein paar Hip-Hopper in Hamsterkostümen einen Flashmob tanzen lassen. Ich hab da Kontakte.«
»Keine Flashmobs, Becky«, mahnt Nelly, die mit zwei Kannen auf dem Weg zur Küche ist, um mehr Kaffee aufzubrühen.
»Halt die Füße still«, knurrt auch Blogger und erntet einen nahezu dankbaren Blick von Nelly. »Feldhamster gibt’s hier nicht.«
»Aber man kann sie doch im Internet bestellen«, nörgelt Becky.
Nein, was es alles gibt!, wundert sich Frau Schick. Nun, sollte man Feldhamster tatsächlich kaufen können, wird sie gleich zwei Dutzend nehmen. Ein paar Hamster würden sich in den nicht genutzten Schrebergärten sehr hübsch machen, falls Herr Engels ein wenig Getreideanbau für unbedenklich hält.
Verträumt starrt sie auf die Kalenderalpen, in die Herr Engels sich gestern Abend geflüchtet hat. Pah, wer braucht schon Berge, noch dazu so hohe. Ein kleines Weizenfeld würde ihr weit mehr zusagen, mit Klatschmohn und Kamille und vielen blauen Kornblumen drin, versteht sich. Da kommt die alte Ostpreußin in ihr durch.
»Wir sind so weit«, winkt die Walküre Frau Schick aus ihrer Sitznische an die Frühstückstafel und weist ihr den Ehrenplatz an der Stirnseite zu.
»Sie übernehmen die Konferenzleitung, bis der Professor zurück ist«, sagt sie und stellt eine Vase mit prachtvoll blühenden Abkömmlingen von Clytemnestra neben Frau Schicks Gedeck. »Die haben Detlev und ich heute Morgen frisch für Sie geschnitten. Im Auftrag von Herrn Engels.«
Höchst geschmeichelt nimmt Frau Schick Platz. Dabei gebühren Rosen und der Ehrenplatz doch einzig dem Professor! Dieser alte Geheimniskrämer steckt wirklich voller Überraschungen. Gestern Abend hat er die feiernden Kleingärtner, den randalierenden Blogger und Kalle Unkrautex keineswegs aus dem Vereinsheim gelotst, um jeglichen Widerstand gegen Pottkämper zu unterbinden, sondern um diesen in
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