Frau Schick macht blau
Koloniebewohner unter Kalles Kommando bereits im Wald herumtüfteln. Daher das morgendliche Lärmen mit Gartengerätschaften und die Knallgeräusche.
»Das ist zwar nicht im Sinne des Professors«, flüstert Blogger, der sich eifrig Marmeladenbrötchen streicht, »aber er meinte, es sei Ihnen wichtig, alle Koloniebewohner in unseren Widerstand gegen das Bauprojekt einzubinden.«
Frau Schick nickt. »Das ist richtig. Ich hoffe allerdings, dass Kalle es mit den Sprengversuchen nicht übertreibt.«
»Keine Bange«, unterbricht sich Popesch in seinem Vortrag. »Ich habe ihn auf unsere Mittagsruhe zwischen 13 und 15 Uhr verpflichtet und mit dem Unkrautex in eine metertiefe Kiesgrube geschickt. Mehr als ein paar Steine kann er da nicht in die Luft jagen.«
»Auch nicht sich selbst?«, fragt besorgt Frau Schick.
Blogger schüttelt den Kopf. »Unser Kalle war mal bei den Pionieren. Er weiß, was er tut. Als ich mal eine alte Panzerfaust aus dem Sumpf gefischt habe, hat er die problemlos entschärft.«
Popesch nickt. »Und sie sogar wieder zusammengesetzt. Bei historischen Handwaffen ist er unschlagbar. Sie sollten ihn mal erleben, wenn wir beim Beete-Umgraben auf alte US-Munition und Blindgänger stoßen. Es besteht nur die Gefahr, dass Unkrautex und Zucker ihm auf Dauer zu harmlos sind.«
Frau Schick wird etwas unbehaglich zumute. Was, wenn …
»Immer mit der Ruhe«, wirft Blogger ein. »Der Professor hat für Kalle bereits andere Einsatzgebiete ersonnen. Als Pionier kann er uns mit weiteren Baumhäusern am Waldeingang ausrüsten und darin einen Spähposten übernehmen, der absolute Ruhe verlangt. Herr Engels hat Kalle außerdem ein Nachtsichtgerät geliehen und ihn in ein Forschungsvorhaben über die Bestäubungskapazitäten von Mopsfledermäusen eingebunden.«
»Sehr schön«, lobt Frau Schick und erteilt Herrn Töller die Erlaubnis, zu läuten, um Blogger offiziell das Wort zu erteilen.
Der legt sofort los. »Becky und ich haben die Rote Liste der im Rheinland stark bedrohten Tier- und Pflanzenarten, die ein Bauverbot ermöglichen könnten, mit dem Bestand in diesem Waldstück abgeglichen. Von unseren wertvollen Wildbienen und Wildpflanzen einmal abgesehen, können wir im Tümpel mit Kamm-Molchen und Wechselkröten aufwarten, die in mehreren Bundesländern erfolgreich gegen Autobahntrassen und Transrapidstrecken ins Feld geführt wurden. Der Juchtenkäfer …«
Seine nun folgenden Informationen verderben Frau Schick und weiten Teilen der Tischrunde trotz Aprikosenduft den Appetit aufs Frühstück. Dass die trüb-gelblichen Larven des Juchtenkäfers sich Kokons aus ihren Exkrementen basteln, will nun wirklich niemand hören.
Blogger mag sich mit Kröten, Molchen, Käfern und sonstigem Gekribbel und Gekrabbel auskennen, aber wie man Zuhörer dafür begeistert, weiß er nicht. Da hat er vom Professor noch allerhand zu lernen.
Sie bringt Engels’ Lieblingsstudenten mit einem Blick zum Schweigen, den sie – dank ungezählter Konferenzen mit gockelnden Geschäftsführern – vollendet beherrscht. Eine Prise Überheblichkeit gepaart mit der Gewissheit, dass ihr Wunsch Befehl ist, zeigt das gewünschte Ergebnis. Blogger bricht verdrossen ab.
»Kommen wir endlich zu gut sichtbaren und beliebten Säugetierarten«, fordert Frau Schick. »Als Schirmherrin und Tierpatin eines bedauerlich überfüllten Kölner Wildparks könnte ich vorübergehend einige unserer Sorgenkinder in unserem Wald ansiedeln. Etwa den dauerbrünftigen Rudolf von Hitzleben – ein etwas ungezogener Keiler, der alle Bachen für sich beansprucht, obwohl er sie längst nicht mehr umfassend beglücken kann. Ein wenig zölibatäre Abgeschiedenheit täte Rudolf sehr gut.«
»Cool. Wir könnten ihn Obelix nennen, der Name sorgt bei Google und Facebook für ordentlich Fans und Treffer«, begeistert sich Becky. »Hat er hübsche Augen?«
»Ausgesprochen hübsche Augen, sonst wäre er bei den Bachen kaum so erfolgreich«, sagt Frau Schick. »Genau wie weiland der echte Rudolf von …«
»Wildschweine sind nicht vom Aussterben bedroht«, protestiert Blogger heftig.
Auch Popesch schüttelt energisch den Kopf. »Wir sind froh, die Schwarzkittel endlich los zu sein«, warnt er unter dem Beifallsnicken erfahrener Vereinsmitglieder. »Die wühlen über Nacht ganze Wiesen und Beete um. Erst recht, wenn sie brunftig sind und nichts Entsprechendes zu tun haben.«
Frau Schick gibt nicht auf. »In meinem Garten könnte sich Rudolf mit Umgrabearbeiten
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