Frau Schick macht blau
Vermarkungsmaterial und komplizierten Präzisionsinstrumenten hantieren. Ein Bauingenieur mit deutlich strapazierten Nerven treibt sie zur Eile an, scheucht Praktikanten mit rot-weißen Latten über die Wiese, gibt barsche Anweisungen zu Messpunkten und zieht sich an einen aufgebockten Kartentisch zurück.
Frau Schick richtet sich in ihrem Liegestuhl auf und zoomt den Tisch mithilfe von Frau Prachts Fernglas näher an ihre Laubenterrasse heran. Dahinter steht der penetrante Pottkämper, mimt den Überwacher des Vermessungsteams und heuchelt technisches Interesse. Sein Ohrfeigengesicht schmückt ein fabrikneuer Bauhelm, die Lackaffenschuhe hat dieser groteske Parvenü gegen flaschengrüne Hunter-Boots getauscht, in denen Englands Queen gern das Hochland rings um Schloss Balmoral abschreitet. Das Siegerlächeln vom gestrigen Abend trägt Pottkämper unverändert zur Schau. Paul Schicks verschmähter Firmenerbe genießt jede Sekunde seines späten Triumphes.
Frau Schick schwenkt das Fernglas zum Ingenieur. Der studiert mit angestrengtem Tunnelblick Kartenmaterial und Grundstückaufrisse, schiebt einen Winkelmesser darauf herum und Pottkämper beiseite. Offensichtlich möchte er diesen Dauergrinser in königlichen Gummistiefeln so gründlich ignorieren wie das grimmige Publikum in seinem Rücken und rasch fertig werden. Mit gutem Grund.
Bereits vor Beginn der Messtätigkeiten haben einige fliegende Harken – unter anderem abgefeuert von Walküre Pracht im Mao-Dress – und der kampfeslustige Zerberus, der seine Frühstücksweide nicht teilen wollte, ein friedliches Miteinander vereitelt. Auf Spaten, Sauzähne und Grabgabeln gestützt verfolgt das unvermindert feindselige Trüppchen Schrebergärtner nun die Vermessungsarbeiten. Weitere Kampfhandlungen hat Frau Schick nach der Rückkehr von Professor Engels strikt unterbunden, und Heißsporn Zerberus frisst an einen Apfelbaum gebunden in ihrem Garten Gänsedisteln statt rot-weißem Flatterband.
Rache ist ein Gericht, das man besser kalt genießt, hat Frau Schick entschieden. Vor allem angesichts der Aussicht, Pottkämper und Konsorten binnen 48 Stunden mit gepfefferten Eilanträgen und einstweiligen Verfügungen bombardieren zu können. Und danach sieht es – gelobt sei Herr Engels! – dank dessen Nachtspaziergang aus. Es sieht sogar sehr gut aus. Frau Schick gönnt sich ein Siegerlächeln, das Pottkämpers Grinsen so konkurrenzlos überstrahlt wie die Sonne den Mond.
Dr. Kubuleit will gleich morgen den Wald inspizieren und ist einem sofortigen Baustopp positiv gesinnt. Er hat seine Doktorarbeit beim Professor nämlich über Das Verschwinden der Habitate artbedrohter Solitärbienen und Stechimmen im Rheinland geschrieben. Mit summa cum laude . Im Zweitfach hat er Käfer studiert. Wäre ja gelacht, wenn Engels’ Ölbienen, Bloggers Aprikosenkäfer und ihre Feldhamster diesem Mann keinen Eilantrag wert wären, zumal Kubuleit erst vor wenigen Wochen einen Wald an den Quarzkiesabbau verloren hat, was er sehr persönlich nimmt, wie Engels sagt.
Frau Schick seufzt leise. Der Professor hätte schon längst zu diesem Kubuleit gehen sollen, statt sich in der Kolonie zu verkriechen.
Popesch hat die schönen Neuigkeiten per Flüsterpost unter den Koloniebewohnern verbreitet und sie auf Waffenruhe eingeschworen. Jetzt fahndet er mit Hochdruck und mit Bloggers Hilfe nach Kalle, der seine Sprenggrube mit unbekanntem Ziel verlassen hat. Steht zu hoffen, dass ihm Unkrautex und Zucker ausgegangen sind. Weitere Explosionen wären äußerst kontraproduktiv, zumal Pottkämper wiederholt mit der Polizei gedroht hat – das erste Mal, nachdem er mit seinen Hunter-Boots in einen heimtückisch platzierten Rechen getreten ist, das zweite Mal, als Walküre Pracht ihm mit einem Zierkürbis und der Wurfkraft einer Brünhilde den Bauhelm vom Kopf geschossen hat.
Frau Schick sucht per Fernglas den Waldrand nach Kalle ab. Kein Kalle in Sicht, nur ein junger Forstwirt, der mit neongrüner Kreide Fällungskreuze auf Bäume malt. Hoffentlich geht das Geschmier wieder ab. Na, egal, soll der mal machen. Sie setzt das Fernglas ab. Die Heldentaten des Professors machen Fällmarkierungen gänzlich überflüssig.
Entspannt lehnt Frau Schick sich im Liegestuhl zurück, den Herr Engels – ganz Kavalier – für sie vor ihrer Laube aufgeklappt hat. Direkt neben seinem. Stolz betrachtet sie den abgekämpften Streiter, der eben aus einem wohlverdienten Nickerchen erwacht.
Herr Engels räkelt sich mit
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