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Frau Schick räumt auf

Frau Schick räumt auf

Titel: Frau Schick räumt auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
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der Erwähnung von Gott hat sich die Miene seiner Arbeitgeberin mächtig verfinstert. Was hat die alte Dame nur vor? Hat sie mit dem Allmächtigen ein Hühnchen zu rupfen?
    »Wohlfahrt, hören Sie mich nicht? Ich möchte aussteigen!«
    Wolfhart gibt Gas und nimmt die nächste Kehre so rasant, dass es seine Arbeitgeberin aus dem Sitz hebt. Er legt mit einem Extraschlenker und angedeutetem Schleudern nach. Befriedigt registriert er einen spitzen Aufschrei im Fond.
    »Wie Sie bemerken, ist das Gelände hier gefährlich steil, gnädige Frau.«
    »Lassen Sie die dämlichen Tricks!«
    »Der Fußweg ist an dieser Stelle als Knochenbrecher gefürchtet, gnädige Frau. Hier kommen sogar Bergziegen ins Stolpern. Nicht umsonst kreisen über uns die Lämmergeier.« Er deutet mit dem Finger durch die Windschutzscheibe in den Himmel.
    »Da kenne ich bessere Schauermärchen. Außerdem habe ich das Wandern zuhause geübt. Sie waren doch dabei.«
    »Die Rheindeiche bei Köln sind mit den hiesigen Strecken nicht vergleichbar.«
    »Ich war drei Mal auf dem Drachenfels und bin seit Jahren Mitglied im Alpenverein.«
    »Sie sind meines Wissens lediglich passive Vorsitzende im Freundes- und Förderkreis des Alpenvereins, gnädige Frau.«
    »Da hat aber jemand sehr genau recherchiert. Sind wohl ein passionierter Schnüffler, Herr Doktor? «
    Wolfharts Brauen schnellen nach oben. Der »Doktor« klang reichlich überbetont. Ob sie etwas ahnt? Unmöglich, und zumindest sein Doktor ist so echt wie ihr Adelstitel. Trotzdem, wenn sie so weitermacht, landet sie noch einen Treffer. »Ihr Sekretär bat mich, mich gründlich auf die Reise vorzubereiten, gnädige Frau«, sagt er ruhiger, als er sich fühlt. »Außerdem lese ich regelmäßig den Kölner Stadtanzeiger , mit besonderem Vergnügen den Lokalteil, in dem Sie und Ihr Engagement als Schirmherrin der Schick-Stiftung und Spendensammlerin stets ausführlich gewürdigt werden. Von einer ausgeprägten Wanderleidenschaft oder Reiselust war dort nie die Rede.«
    Im Gegenteil. In einem Interview hat ihr verstorbener Gatte Paul Schick angedeutet, dass die Fluchterfahrungen seine Frau von jeglichem Reisefieber ein für alle Mal kuriert haben, weshalb das Paar oft getrennt sei.
    »Immerhin habe ich höchst aktiv Schecks für diese Feld-Wald-und-Wiesenfreunde ausgeschrieben«, kontert Frau Schick. »Wie für zig andere Vereine auch. Alles im Namen meines großherzigen Mannes.« Sie neigt den Kopf in Richtung Scheibe, ihr Blick tastet sich eine jäh aufklaffende Schlucht hinab, in der ein Gebirgsbach gurgelt. »Oh ja, er hatte ein sehr gutes Herz.«
    Herberger beobachtet sie nachdenklich im Rückspiegel. Großzügigkeit und karitative Zwecke waren ja mehr oder weniger der Lebensauftrag seiner Chefin, den sie mit Noblesse und Stil erfüllt hat. Jetzt scheint sie sich darüber zu ärgern. Frau Schick schaut grimmig und wirkt sehr erregt. Das kann nicht gut für ihren Blutdruck sein. So viel sieht er, auch wenn er seinen Doktortitel nicht in Medizin erlangt hat. Er senkt die Stimme zu einem wohltemperierten Moll: »Gnädige Frau, wir müssen bis heute Abend in Pamplona sein, damit Sie sich in Ihrem schönen Hotel noch einmal ordentlich ausruhen können, bevor unsere Reisegruppe eintrifft.« Außerdem, und das verschweigt Wolfhart wohlweislich, möchte er ungestört telefonieren. Er braucht genauere Informationen und Instruktionen. Es kommt auf jedes Detail an. Nicht umsonst haben seine früheren Jobs ihn gelehrt, dass ein Patzer bei der Planung lebensgefährliche Folgen haben kann.
    Frau Schicks Stimme signalisiert Tauwetter. »Herrje, ich ruhe mich seit Tagen auf dem Rücksitz aus, und dieser christliche Wanderzirkus trudelt doch erst morgen Nachmittag in Pamplona ein! Die dürfen schließlich schon ab hier wandern.«
    Wolfhart lenkt ein und wirft einen Blick auf das Navigationsgerät. »Es sind noch knapp fünf Kilometer bis Roncesvalles. Dort können wir eine Rast machen und die Klosteranlagen besichtigen, gnädige Frau.«
    Aus dem Fond bricht erneut eine Kaltfront über ihn herein. Samt Donnergroll und fauchenden Blitzen. »Verdammt noch mal! Lassen Sie endlich die ›Gnädige Frau‹ weg!«
    Irritiert hebt Wolfhart die Brauen. »Ihr Sekretär hat auf dieser Anrede bestanden.«
    »Kann ich mir denken. Dieser Knallkopf hat sich ja auch gern ›Persönlicher Referent von Konsul Schick‹ genannt und ihm einen Posten nach dem anderen abgeschmeichelt. Nur gut, dass meinem Verstorbenen der Ehrenprofessor von

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