Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frau Schick räumt auf

Frau Schick räumt auf

Titel: Frau Schick räumt auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
Vom Netzwerk:
bis Orreaga. Ha! Wolfhart nimmt mit Schwung eine weitere Kehre. Er freut sich schon darauf, das melodiöse Rollen, Springen und Tanzen der baskischen Laute in Pamplona wieder einmal zu hören. Ob er wohl noch darauf antworten kann? Vor siebenundzwanzig Jahren hatte er eine hinreißende baskische Lehrmeisterin. Wie hieß denn die noch? Cida? Ammuna? Der Name hatte einen zauberhaften Klang. Passte zum uralten Hexenkult der Gegend.
    »Aua!« Wieder dieser bohrende Schmerz im Lendenwirbelbereich. Herberger verliert für einen Moment die Kontrolle über das Fahrzeug. Der Jaguar bricht aus. Verfluchte Wanderstöcke, verflixte Hexe Schick!
    »Anhalten!«, donnert es von hinten.
    Ach! Der Teufel soll sie holen.
    Das Auto gerät auf die falsche Fahrbahnseite, vor ihm taucht ein Viehtransporter auf. Wolfhart nimmt den Fuß vom Gas, lenkt geschickt gegen und bringt den Jaguar begleitet von einem atonalen Hupkonzert des Lasterfahrers auf die rechte Spur zurück. »Jetzt ist es aber genug«, brüllt er.
    Nein, noch nicht.
    »Mein Herz! Himmel! Mein Herz«, kreischt es von hinten.
    Wolfhart reißt den Kopf herum. Frau Schick kauert zusammengesunken auf dem Rücksitz und presst die Hand gegen ihre Brust.
    Scheiße, Scheiße, SCHEIßE!

6.
    Das Seidenfutter knistert verheißungsvoll. Nelly steigt in den Bleistiftrock von Ricardas Kostüm. Sacht wie eine Liebkosung gleitet der Cashmere über ihre Schenkel, umschmiegt ihre Hüften. Sie schließt den Taillenbund, streicht den Rock glatt. Eine Figur mit wiedererkennbarer Taille zu haben, ist wundervoll. Wer hätte gedacht, dass es in ihrem Alter neben ewiger Askese noch ein befriedigenderes Diätrezept gibt?
    Lyrik und Liebe. Hungrig bin ich, will deinen Mund, deine Stimme, dein Haar, und durch die Straßen zieh ich ohne Nahrung , schweigend , nicht sättigt mich das Brot … Pablo Neruda!
    Er, also Javier, hat das Gedicht in seiner letzten Mail zitiert. Wie recht er hat. Und Neruda erst! So ist das, wenn man verliebt ist, obwohl Nelly gegen den Genuss einer Mahlzeit langsam nichts mehr einzuwenden hätte.
    Jetzt noch die Jacke. Nelly schlüpft in ein Kurzjäckchen im Jackie-O.-Stil, der laut Ricarda wieder modern ist. Es fällt so locker, dass es die Tapas-Orgie samt Weinverkostung, die für morgen angesetzt ist, verkraften kann. Nelly dreht sich vor dem Spiegel. Das Ganze nennt sich »Vintage-Look«.
    »Mit anderen Worten: Designer klauen hemmungslos die Ideen betagter oder verblichener Vorgänger wie Coco Chanel, Cassini und Dior und lassen sich als neue Genies feiern«, hat Ricarda vorhin gelästert. Nellys Plan, nach Pamplona zu reisen, hat sie vorwiegend heiter kommentiert. »Du wirst Repräsentantin eines spanischen Wein- und Sektkelterers? Genial. Was heißt ›Kellergeister‹ auf Spanisch?«
    »Ricarda, bitte! Es handelt sich um ein sehr exklusives Weingut in Navarra«, hat Nelly geantwortet. »Die Bodegas Tosantos sind ein Familienbetrieb, der bislang nur den heimischen Markt beliefert, erstklassige Hotels und Sternerestaurants. Ein Geheimtipp. Ich soll mit Ja …, also mit dem Junior, einen internationalen Katalog und eine englisch-deutsche Homepage gestalten. Da muss jedes Wort exakt passen, und die spanischen Texte von Ja …, also dem Junior, sind Gedichte.« Genau wie seine Mails über die Liebe. »Fast schon Neruda.«
    »Neruda?«
    Nelly hat rechtzeitig Ricardas Röntgenblick aufblitzen sehen und geht sofort in die Defensive. »Ich meine, über Weine zu schreiben ist eine Kunst.«
    Ricarda hat voll gespielter Ehrfurcht genickt. »Oh ja, man denke nur an edle Tropfen wie das Wachenheimer Gerümpel und den Poysdorfer Saurüssel. Vom Nacktarsch ganz zu schweigen! Aber Schwamm drüber! Ich trinke Wein lieber, statt Lobeshymnen über ihn zu dichten. Gibt es Warenproben?«
    »In der Küche steht eine Kiste Cava Reserva extra brut, Jahrgang 2008, der hat Champagnerqualität. Leichte Zitrusnoten im Gaumen und …«
    »So genau muss ich das nicht wissen, aber muchas gracias . Während Tante Ricarda für ein alkoholisches Erfrischungsgetränk sorgt, ziehst du dich am besten schon mal um.«
    Das hat Nelly inzwischen getan. Verzückt lächelt sie in den Schlafzimmerspiegel. Abgekupfert oder nicht, der Schöpfer dieses Kostüms ist ein Mozart der Modediebe. Hoffentlich ist es in Pamplona nicht allzu heiß und das Restaurant klimatisiert, dann kann sie die Jacke anbehalten und doppelt sündigen. Erst richtig schlemmen – frittierte Garnelen, Kalbsnierchen in Sherry, Pulpo – und

Weitere Kostenlose Bücher