Frau Schick räumt auf
den Fidschiinseln und der Sonderbotschafter von Botswanaland zu teuer waren«, brummt die Dame auf dem Rücksitz.
»Wie meinen?«
»Nichts. Und jetzt halten Sie endlich!«
»Das werde ich. In Roncesvalles. Es ist das erste bedeutende Pilgerhospital auf dem spanischen Wegabschnitt, das schon in mittelalterlichen Pilgerführern erwähnt wird. Die Gebäudeanlage und vor allem die Kirche sind eine bemerkenswerte architektonische Variante der Gotik aus dem zwölften Jahrhundert«, schnurrt Wolfhart herunter, um Frau Schick abzulenken.
»Verschonen Sie mich mit Gotik. Köln ist rappelvoll davon. Vom Dom gehören mir schätzungsweise zweitausend Steine, Rosetten und Wasserspeier, so viel wie ich dem Bauverein gestiftet habe, und ich musste jedes einzelne Replikat persönlich bewundern.«
»Dann möchten Sie vielleicht die Grabkapelle sehen, die einer Legende nach Karl der Große nach der Rolandschlacht errichtet hat, als Beinhaus für –«
»Beinhaus? Da komm ich noch früh genug hin. Hören Sie, ich bezahle Sie nicht dafür, dass Sie Kulturführer lesen, sondern dafür, dass Sie Straßenkarten studieren.«
Er und Kulturführer lesen … Ha, wenn sie wüsste!
»Geschichte ist sozusagen mein Hobby, gnädige Frau.« Ein Hobby, für das Wolfhart in der Gefängnisbibliothek mal viel Muße hatte. Das ist Jahre her!, ruft er sich in die Gegenwart zurück. »Angesichts meines großzügigen Honorars für diese Reise dachte ich, dass einige Informationen über die Kultur und die Legenden des Jakobsweges …«
»Sie sollen nicht denken, sondern fahren. Ach, was rede ich. Ich meine natürlich anhalten. Diese scheußlichen Knobelbecher an meinen Füßen müssen schließlich eingelaufen werden, Herr Doktor Wohlfahrt .«
Jetzt klingt sie schon wieder anzüglich. Wolfharts Miene versteinert wie Charlton Hestons Gesicht in der Rolle des El Cid. »Sie tragen maßgefertigte Meindl-Schuhe. Man bekommt darin keine Blasen, und falls doch, dann haben Sie in den kommenden Tagen ja immer noch mich, Ihr Handy und diesen Jaguar, Frau Schick.« Er klopft auf das Armaturenbrett aus poliertem Wurzelholz. Das Klopfen erinnert ein wenig an eine Ohrfeige.
Vom Rücksitz der Limousine ertönt Triumphgelächter. »Na, endlich lassen Sie die gnädige Frau weg! Dann kann ich mir ja auch die Scherze mit Ihrem merkwürdigen Namen sparen.«
»Wieso merkwürdig?«
»Ich habe diesen Zirkus mit falschen und echten Titeln so satt«, bricht es aus Frau Schick hervor.
Wolfharts alias Eckeharts Herz macht einen Satz, als wolle es die silberne Jaguarfigur auf der Kühlerhaube überholen. Verdammt, sie weiß es, sie weiß es!
Frau Schick holt tief Luft. »Ein für alle Mal: Mein Mann war Paule Schick, auch als das Schlitzohr aus der Schemmergass oder Paulchen Schikane bekannt. Er war weder gnädig noch ein Herr, sondern lediglich der Parkhauskönig von Köln, ein Lump, der seinen letzten Seufzer in der Tingeltangelbar am Busen einer einundzwanzigjährigen Hostess getan hat. Ich hoffe, der Busen war nackt, und gönne ihm jede Sekunde seines achtundsiebzigjährigen Lebens, aber in meins hat er sich nicht länger einzumischen und Sie erst recht nicht. Und jetzt treten Sie in die Bremse! Oder muss ich Sie hinterrücks erschlagen und das Lenkrad selbst übernehmen? Da ist eine Parkbucht angekündigt, Herr Herberger.«
Wolfharts Herz schnellt in die Ausgangsposition zurück, seine Brust wird wieder weit. »Gnä …, Frau Schock, äh … Schick, wir brauchen keine Parkbucht. Wir sind gleich in Roncesvalles.« Er deutet auf ein Ortsschild.
»Wollen Sie mich veräppeln? Da steht: ›Drei Kilometer bis Orreaga‹, nicht Ronces-was-auch-immer«, schimpft Frau Schick.
»Oh, das ist lediglich ein Ausdruck unverwüstlichen Baskenstolzes. Orreaga ist Roncesvalles. Die offizielle spanische Variante der Ortsnamen lässt man hier gern weg, oder man schreibt sie ganz klein darunter. Nicht umsonst prägten die Pilger des Mittelalters den Ausspruch ›Ich bin mit meinem Latein am Ende‹, nachdem sie erstmals das Königreich Navarra betraten und mit keiner der ihnen bekannten Sprachen nur ein nachvollziehbares Wort aus den Basken und Navarresen herausbekamen. Baskisch ist eine weltweit einzigartige Sprache. Kurt Tucholsky schrieb in seinem Pyrenäenbuch: ›Eine Sprache, in der die Worte, wer durch diese Tür tritt, mag sich zu Hause fühlen’, àthean psatzen dubena bere etchean da heißen – die ist nicht zu enträtseln.‹«
Und damit sind es nur noch zwei Kilometer
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