Frau Schick räumt auf
abgefangen und regelrecht ins Hotel abgeführt. Auch in Tardajos stand er neben dem Bus mit dem Jaguar parat, um sie zu diesem Laden zu eskortieren. Will er sie ärgern?
Vor dem Laden erläutert Paolo noch einmal die heutige Etappe. Sie führt die Pilgergruppe nach einer weiteren Busfahrt von Tardajos zu einem alten Kalk- und Ziegelbrennerdörfchen namens Hornillos del Camino. Gewandert wird nur eine insgesamt fünfzehn Kilometer lange Wegstrecke über ebene und eher monotone Kilometer, wie Paolo erläutert. »Dafür leichte zu gehen.«
In Hildegards Augen ist das Programm einmal wieder ungenügend und nicht fordernd genug. »Das ist ein ganz bedauerlicher Pfusch!«, empört sie sich. »Immer mehr Pilger kneifen vor dieser Herausforderung, nur weil sie ein bisschen Langeweile und Muskelkater scheuen. Ich nicht!«
Gutmütig bietet Paolo an, eine Verlängerungsetappe für sie und alle Meseta-Freunde ins Tagesprogramm einzubauen. Hildegard wirkt schon ein wenig besänftigt, doch als Herberger sich bereiterklärt, derweil das Kulturprogramm für alle anderen zu übernehmen und zu vertiefen, wird sie spontan vom Wandervogel zur Klosterfreundin.
»Schließlich gibt es morgen und bis León noch einmal hundertsechzig Kilometer Meseta«, stellt sie zum Ärger ihres Ernst-Theodors fest. Ihm behagt ganz und gar nicht, wie Herberger seine Hildegard immer wieder verzaubert.
Auch der Busfahrer möchte zur Tagesunterhaltung beitragen. Er verspricht einen schönen und äußerst musikalischen Abend im heutigen Hostal von Castrojeriz. Dort ist er nämlich geboren und Mitglied von Dorfkapelle und Kirchenchor. Letzterer probt heute Abend für einen Auftritt in Santiago.
»Dafür zahle ich aber nicht extra«, vermerkt Hildegard spitz, während sie im Bus Platz nimmt.
Hermann und Martha erlauben sich dagegen die bescheidene Frage, ob eine Probenteilnahme erlaubt sei.
» Cierto«, versichert der Fahrer und fragt nach Hermanns Stimmlage. »Sie wollen, dass ich mitsinge?«
» Cierto.«
43.
Hornillos ist ein Dorf aus Stein. Sie erreichen es am späten Vormittag. Jetzt, um kurz nach elf und zwei Stunden vor der allgemeinen Siesta, geht es noch verhältnismäßig geschäftig zu. Alte Frauen erledigen ihre Einkäufe, und eine Dreschmaschine rumpelt über das sonnenwarme Pflaster. Nelly und Hermann begutachten fachmännisch die Bauweise des Museumsstücks und diskutieren die Anfänge des Dieselmotors.
Frau Schick wundert sich über die aufkeimende Freundschaft. Doch sie kann gönnen, und Nelly gönnt sie jedem, der sie verdient hat. Außer Javier. Dem werden sie heute ein Schnippchen schlagen und darum keinesfalls in Castrojeriz übernachten, wo der Depp wahrscheinlich schon wartet. So wie gestern in Burgos.
Dieser Herr Taugenichts scheint die geplante Strecke und die gebuchten Sterne-Hotels ebenso gut zu kennen, wie er Señor Viabadel kennt. Wie gut, dass sie Quijote mitgenommen hat! Erstens braucht sie ihn als Wachhund und zweitens als Verbindungsglied zwischen sich, Bettina und dem Basken, auf den man Bettina momentan besser nicht anspricht. Da schnappt sie nur über und ist beleidigt. Aber irgendwann wird es sein, wie es Wilhelm Busch in seinem Gedicht Kritik des Herzens beschreibt: »Sie mussten sich lange quälen, doch schließlich kam’s dazu, sie konnten sich endlich vermählen, nun haben die Seelen Ruh.«
Ja, ja, das wird schon, da ist sich Frau Schick sehr sicher. Sie lächelt Quijote aufmunternd zu.
»Wuff«, bedankt sich der Hund. Offensichtlich begreift er Frau Schicks Lächeln als Erlaubnis, voranzupreschen, statt brav bei Fuß zu trotten. Die Gruppe folgt dem tobenden Tier die schnurgerade Dorfstraße hinab.
Die Pilgerstäbe und Wanderstöcke klackern auf Stein. Vorbei geht es an schwarzgewandeten Frauen, die in den Hauseingängen schwatzen, vorbei an einer aus weißem Ytong zusammengeschusterten würfelförmigen Bar. Davor versorgt eine spanische Krankenschwester die Blasen einiger Langzeitpilger, während die angeschlagenen Wallfahrer eisgekühlte Getränke hinunterstürzen.
Die Bar heißt »469 Kilometer« und beziffert damit die ungefähre Distanz von hier bis Santiago. Eine Falschangabe, wie Paolo leise korrigiert. Es sind nämlich noch gute vierhundertsechsundachtzig Kilometer.
»Und wir schaffen heute gerade mal fünfzehn«, mault Ernst-Theodor.
»Nein, insgesamt fast vierzig«, tröstet ihn die von Herberger besänftigte Hildegard. »Wir haben ja den Bus.«
»Da braut sich ein Unwetter zusammen«, sagt
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