Frau Schick räumt auf
klingt prachtvoll, und gegen ein bisschen Nachtmusik habe ich auch nichts einzuwenden.«
»Wenn sie bis drei Uhr morgens anhält, werden Sie Ihre Meinung ändern«, versichert ihr Herberger. »Außerdem verfügt dieses Refugio weder über einen Wasseranschluss noch über eine Toilette. Und die Betten stehen quasi in der Küche.«
»Keine Toilette!«, schrillt Hildegard aufgebracht. »Wie soll denn das gehen?«
»Mit Disziplin oder Diskretion und ausreichend Klopapier«, verteidigt Frau Schick ihr Traumdomizil. »Meine Freundinnen und ich sind doch keine Zimperliesen. Bestimmt hat der Herbergsvater eine Schaufel.«
»Man hat die Albergue gerade renoviert«, wirft Paolo ein. »Vielleicht es gibt jetzt eine WC.«
Herberger wiegt zweifelnd den Kopf. »Kaum, es gibt keine Wasserzufuhr.«
Frau Schick nimmt unbeirrt Kurs auf die Herberge. Nelly und Bettina folgen zögernd, während Ernst-Theodor Herbergers Angaben zur Quellentemperatur prüft und verwirft. »Das Wasser hat doch mehr als zehn Grad! Mindestens zwölf, würde ich sagen.«
»Woher willst du das denn wissen?«, tadelt Hildegard. »Du hast ja nur den Zeigefinger reingesteckt, der ist doch kein Thermometer.«
»Mein Temperaturempfinden ist hochentwickelt. Als Geograph bin ich schließlich Naturwissenschaftler, auch wenn die Herren Geologen sich gern für etwas Besseres halten. Wir Geografen sind Experten für exakte Maßeinheiten. Die ganze Welt haben wir vermessen!«
»Steck lieber deine Füße ins Wasser, vielleicht hilft das gegen dein aufkeimendes Hühnerauge und deine grauenhafte Laune«, kontert Hildegard hart.
Herberger überlässt den Streithähnen die Quelle kampflos. Er setzt sich mit Paolo, Hermann und Martha auf ein Mäuerchen und nimmt dankend einen Apfel entgegen.
»Freaks und Spinner. Pah!«, brummt Frau Schick und schaut sich zufrieden im winzigen Stockbettensaal der Herberge von San Bol um. Zwölf Liegeplätze in sechs Betten zählt sie und findet es keineswegs schlimm, dass sie dicht an dicht und direkt neben der Küchenzeile stehen. Die freiliegenden Natursteinmauern sind sehr hübsch, und nebenan gibt es sogar einen kleinen Speiseraum, den Nelly und Bettina unter Entzückungsrufen begutachten.
Na also! Hat sie mal wieder den richtigen Riecher gehabt. Sie betritt den Speiseraum und registriert erfreut einen nagelneuen runden Holztisch mit hochlehnigen Stühlen. Richtig bequem sehen die aus. Sie entscheidet sich für ein Probesitzen und ein Probeaufstehen, was in ihrem Alter ja viel entscheidender ist. Klappt tadellos.
Der Hospitalero poliert gerade die Tischplatte und fragt ganz reizend und auf Englisch, ob ein Kaffee erwünscht sei.
» Filtro?« , fragt Frau Schick und nimmt erwartungsvoll Platz.
» You mean real filtered coffee?«
Filtered coffee klingt wunderbar. So stimmt Frau Schick begeistert zu. » That would be fantastic.«
» I’ll serve it in a minute« , verspricht der Herbergswirt und sucht die Küchenzeile auf.
»Herberger ist ein Schlappohr«, sagt Frau Schick äußerst zufrieden. »Und endlich mal falsch informiert. Na, auch ein Doktor darf mal irren. Ich finde diese Unterkunft sehr vielversprechend. Und so schön leer.«
»Das dürfte sich noch ändern«, befürchtet Bettina.
»Mehr als sechs Leute werden hier heute nicht schlafen, das wird zu eng«, bestimmt Frau Schick. »Und wir nehmen keine, die erst die Füße und dann das Geschirr in der Quelle waschen. Einverstanden?«
»Frau Schick, hier sind Sie nicht die Chefin«, mahnt Nelly. »Diese Herberge ist zwar privat geführt, aber sie hält sich sicherlich an das eherne Gesetz aller Camino-Herbergen: Aufgenommen wird jeder Pilger, solange Platz ist, und das lediglich gegen eine kleine Spende und in Notfällen auch umsonst.«
Frau Schick lehnt ihre Wanderstöcke an den Stuhl und macht es sich bequem. »Das ist mir durchaus bewusst, liebe Nelly, aber bei sechs Schlafgenossen muss Schluss sein. Drei Fremde akzeptiere ich. Den Rest vertreiben wir mit roten Bettwanzen. Eine grauenhafte Plage, die Biester. Wer Pech hat, holt sich dank der Bisse einen hässlich juckenden Ganzkörperausschlag.«
»Bettwanzen!«, kreischt Bettina. Ihre Tierliebe hat offenbar Grenzen.
»Nun stellen Sie sich doch nicht so an!«
»Nicht anstellen? In jedem Pilgerführer wird vor dieser Plage gewarnt und eine Matratzenkontrolle empfohlen. Diese Blutsauger nisten sich in jedes Gepäckstück ein und sind nur von professionellen Kammerjägern zu beseitigen.«
Frau Schick nickt. »In
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