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Frau Schick räumt auf

Frau Schick räumt auf

Titel: Frau Schick räumt auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
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Frau Schick.
    Bettina sucht den kristallklaren Himmel ab. »Wo?«
    »Na zwischen den beiden«, erklärt Frau Schick und deutet nach vorn auf Hildegard und Ernst-Theodor. »Ich bin sehr gespannt, wie das endet. Ich hoffe nur, dass wir rechtzeitig in Deckung gehen können.«
    Am Ende der schnurgeraden Dorfstraße verabschiedet sich Herberger, um wie gewohnt mit dem Jaguar vorauszufahren. Sogleich wirkt Ernst-Theodor entspannter. Wenig später begrüßt eine Nonne in weißem Habit Paolos Gruppe. Sie verteilt Marienbildchen an alle Pilger und wünscht » Buen camino« .
    So billig die Blechbildchen auch sein mögen, sie erfreuen sogar Hildegard. »Da bekommt man das Gefühl, diesen Weg nicht nur für sich selbst zu gehen«, sagt sie gerührt.
    »Und nicht völlig umsonst«, murmelt Frau Schick.
    Einige Minuten später haben sie endlich das offene Land erreicht und wandern auf einem ungeteerten Sträßchen hinein in endlose Weite, immer geradeaus über staubende Feldwege, die wie mit dem Lineal gezogen sind. Die Felder sind abgeerntet, das Auge muss sich mit gelben Stoppeln bis zum Horizont, ein paar Wellen im Feld und hie und da mit Storchennestern auf den Schornsteinen verfallener Lehmziegelkaten begnügen.
    Frau Schick behagt die freie Fläche so wenig wie die vielen spitzen Steinchen, die sich in die Schuhsohlen bohren. Das soll eine leichte Strecke sein? Es ist nicht die sengende Sonne, die sie stört, obwohl diese im Mittelalter manchen Pilger verdursten ließ. Frau Schick stört, dass sie der Landschaft so ausgeliefert ist. Schutzlos fühlt sie sich, als sei sie obdachlos.
    Die Bäume werden immer rarer, die vereinzelten Büsche sind karges Krüppelwerk; bald ist Frau Schick froh um jede Distel, die dieser Wüstenei ihre Existenz abtrotzt. Dem Weizen zuliebe scheinen die Bauern hier mehr als großzügig mit Unkrautvernichtern zu arbeiten.
    Nelly aber scheint die Weite zu lieben, sie läuft in strammem Schritt voraus, hüpft gelegentlich und freut sich wie ein Kind, als Paolo »Guck mal« sagt, um ihr einen Wiedehopf zu zeigen. Mit Hermann summt sie Die Vogelhochzeit an, und sie erläutert dem falschen Jesus den Text vom Wiedehopf mit dem Blumentopf und dem Sperber als Brautwerber.
    Die Gute verdrängt einmal wieder völlig, dass Idylle auch gefährlich trügen kann. Sie läuft zu oft mit offenem Herzen durch die Welt und gelegentlich direkt ins Messer, fürchtet Frau Schick. So wie sie selbst, als sie noch Pöhlwitzens kleines Röschen war, nicht ahnte, was noch kommen sollte, und hartnäckig geglaubt hat, glücklich zu sein sei ihr Geburtsrecht.
    Frau Schick linst misstrauisch gen Himmel, an dem sich die weißen Kondensstreifen von Urlaubsfliegern kreuzen.
    Wortlos gesellt sich Bettina zu ihr. Frau Schick ist sie hochwillkommen. Diese Bettina ist gar nicht dumm oder entwickelt dank ihres Esoterikknalls eine Art zweites Gesicht. Sie scheint zu wissen, dass Frau Schick gerade zum Röschen zusammenschrumpft, das Feindbeschuss fürchtet, weil es durch allzu offene und nackte Landschaft wandern muss. Albern, albern, aber leider ganz tief in ihre Seele eingebrannt.
    Bei Paul war es genau umgekehrt – ihm war in engen oder überfüllten Räumen nicht wohl. Er hat in jedem Restaurant nach dem Notausgang Ausschau gehalten, weil er im Krieg als Junge und Mitglied eines Kölner Räumkommandos so oft in getroffene Bunker oder Keller musste, um Leichen zu bergen und hier und da Schätzchen für Papas Schrotthandel abzuzweigen. Er hatte sich freiwillig gemeldet, wollte eigentlich viel lieber als Soldat ins Feld, war aber im Sommer 1944 erst knapp fünfzehn und damit zu jung.
    Ach Paulchen, Paulchen, der war vielleicht eine Marke! Anfang März 1945 ist er kurz vor Morgengrauen von zuhause ausgerissen, um sich Hitlers letztem Aufgebot anzuschließen, das sich am Bahnhof Eifeltor vor Köln sammeln musste, um die Ardennenlinie zu verteidigen. Paulchen ist auf einem klapprigen Rad vom Schrottplatz seines Vaters und mit dem geklauten Gewehr aber nur bis zum Kölner Neumarkt gekommen. Denn der Vater ist dem Paulchen auf Pantoffeln hinterhergelaufen, dann haben die Sirenen geheult und das Lametta regnete herab, mit dem die Bomberpiloten die Abwurfstellen markierten. Paulchen hat wie verrückt in die Pedale getreten, aber sein Vater hat ihn trotzdem eingeholt, ihn vom Rad gerissen und mitten auf dem Neumarkt so vertrimmt, dass Paul danach gerade noch in den nächsten Bunker humpeln konnte. Dadurch hat er überlebt, auch wenn er erst

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