Frau Schick räumt auf
für.«
Oho, die Dame ist ein Nordlicht! Dafür ist sie erst recht aufdringlich. »Herr Herberger hatte mich gebeten, ein wenig auf sie achtzugeben. So ein reizender Mann, Ihr Chauffeur.«
Und so unverschämt, denkt Frau Schick.
»Da vorne warten der Reisebus und eine kleine Marienkapelle, falls Sie noch ein Gebet sprechen möchten.«
»Beten? Ich? Wozu?«
»Herr Herberger hatte das Gefühl, Sie haben etwas auf dem Herzen. Und mir geht es genauso«, beeilt sich Bettina zu erklären.
Der Herr Chauffeur kann was erleben, wenn sie ihn gleich am Klavier erwischt! Frau Schick ist entrüstet. Befördert sich der feine Herberger vom Fahrer mal eben zum Pfarrer. »Und das hat er Ihnen anvertraut?«, fragt sie.
»Nun ja, ich bin gelernte Krankenschwester. Da habe ich mich ihm, also … Da habe ich mich natürlich sofort angeboten. Er wirkte so hilflos.«
Bettina macht es einem wirklich schwer, höflich, geschweige denn nett zu bleiben. Hat sich das Luder doch glatt unter dem Vorwand, ein Engel der Nächstenliebe zu sein, an ihren schmucken Chauffeur rangemacht, als der gerade nicht seine hellsten fünf Minuten hatte. Frau Schick geht auf Angriff: »Ihre Berufung zur Mutter Teresa fällt Ihnen aber reichlich spät ein, meine Liebe. Als ich meine Herzattacke hatte …«
Bettina hüstelt und schüttelt sacht den Kopf. Fehlt nur noch der pädagogisch wackelnde Zeigefinger.
»Als es mir schien , ich hätte eine Herzattacke«, verbiegt Frau Schick die Wahrheit flugs zu ihren Gunsten, »war von Ihnen nichts zu sehen.«
»Ich bin es gewohnt, den Arzt vorzulassen.«
»Welchen Arzt?«
»Na, unseren Wanderführer natürlich.«
»Jesus?«
Bettina lacht. Das kann sie zu Frau Schicks Überraschung richtig laut und von Herzen. »Sie haben recht. Er sieht tatsächlich ein wenig so aus, aber sein Name ist Paolo. Er hat Medizin studiert und kurz in einem Krankenhaus in Santiago de Compostela gearbeitet.«
»Und warum ist er dann hier?«
Bettina zuckt mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich nehme an, dass er wie jeder von uns seine Geheimnisse hat, denen er mit Gottes Beistand auf den Grund kommen will. Mir hat er gesagt, sein Leben sei untrennbar mit dem Camino verbunden. Abends auf dem Zimmer spielt er gern Flöte. Keltische Lieder, sehr anrührend.«
Es ist, wie Frau Schick vermutet hat: Auch Jesus ist ein Verrückter!
Bettina guckt wieder esoterisch und entrückt. Schade drum, Lachen steht ihr besser. Es würde außerdem ihre Chancen auf eher fleischliche Freuden erheblich vergrößern; die fehlen ihr nämlich, da ist sich Frau Schick sicher. Bettina soll nur Herberger in Ruhe lassen, den bezahlt Frau Schick schließlich nicht fürs Schäkern, obwohl er das wahrscheinlich prachtvoll kann, der Rabauke.
»Also, wie steht es mit einem Abstecher in die Kapelle?« Bettina zeigt auf das Kirchlein, das sich auf einer kleinen Lichtung zwischen Haselsträucher kuschelt.
Frau Schick runzelt widerwillig die Stirn. »Das ist nichts für mich.«
Bettina wittert anscheinend eine missionarische Herausforderung. »Viele Kirchen am Jakobsweg sind einzigartige Kraftorte.« Sie senkt die Stimme und linst in Hildegards Richtung. »Ich bin ja auch kein Freund der katholischen Orthodoxie. Hier, längs des Jakobsweges, musste die Kirche allerdings vieles absegnen, was sie andernorts unterdrücken konnte. Der Sternenweg, der den Lauf der Milchstraße nachzeichnet, war vielen Menschen heilig: den Römern, den Kelten, den Katharern und anderen widerspenstigen Christen. Die meisten Kirchen und Kapellen des Camino sind auf uralten Kultstätten errichtet und bringen uns mit den mystischen Energien der Unendlichkeit in Kontakt. Interessiert Sie das gar nicht?«
Das klingt in Frau Schicks Ohren verdächtig nach Raumschiff Orion . Mal sehen, wie die Gute da wieder herauskommt, denkt Frau Schick und wartet ab.
Bettina verharrt derweil im Außerirdischen: »Auf diesem Weg können wir mit dem Unerklärlichen in Resonanz gehen, ganz egal, ob wir es ›Gott‹, ›das Universum‹, ›das Schöpferprinzip‹ oder sonst wie nennen.«
»Ich bin eine tiefgläubige Atheistin und nenne es Mumpitz!«, fährt Frau Schick nun doch auf. Ihren Walkingstock sticht sie in die Luft, als wolle sie den Himmel durchbohren.
»Das glaube ich nicht«, sagt Bettina geradezu aufreizend gelassen. »Wer Gott so leidenschaftlich ablehnt wie Sie, ist noch immer aufs Tiefste mit ihm verbunden.«
»Kommen Sie mir jetzt bloß nicht mit dem Quatsch, dass der Herrgott die Zweifler
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